DeSantis, Haley, Christie, Dans, Kennedy Jr., Stein - bei der US-Präsidentschaftswahl gibt es neben Trump und Biden sechs Key Player

Der Putschist liegt vorn

Nur ein Gerichtsurteil oder ein Herzinfarkt scheinen Donald Trump noch aufhalten zu können – doch für diesen Fall steht Ersatz bereit. Die Demokratische Partei könnte durch linken Antisemitismus und Irrationalismus weiter geschwächt werden.

Es ist eine Wahl, deren Ausgang entscheidend für die Zukunft der Menschheit sein wird; ihre Auswirkungen werden weltweit zu spüren sein. Ob Klimapolitik oder Schutz demokratischer Staaten vor Angriffen von Diktaturen – wenn Donald Trump im November die US-Präsidentschaftswahl gewinnt, sinken die Chancen auf die Begrenzung der globalen Erwärmung und den Erhalt zivilisatorischer Standards erheblich. Nicht zuletzt geht es aber auch um den Erhalt der Demokratie in den USA selbst.

Als die radikale Jugendbewegung der Yippies 1968 das Schwein Pigasus zum Präsidentschaftskandidaten ­kürte, wurde das Tier von der Polizei beschlagnahmt (und mutmaßlich ­verzehrt). Doch alle menschlichen Bewohner:innen der USA dürfen kandidieren, sofern sie dort geboren ­wurden, seit 14 Jahren dort lebten und mindestens 35 Jahre alt sind. Allerdings legt Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes eine weitere Einschränkung fest: Wer einen Eid auf die Ver­fassung geleistet und sich dann »an einem Aufstand oder einer Rebellion ­gegen sie beteiligt oder ihren Feinden Hilfe oder Beistand geleistet« hat, darf kein politisches Amt mehr ausüben.

Ob Trump ohne rechtskräftiges Urteil juristisch als Putschist eingestuft werden kann, ist unklar.

Zweifellos ist Trump ein solcher insurrectionist, der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 war ein Putschversuch. Doch ob er ohne rechtskräftiges Urteil juristisch so eingestuft werden kann, ist unklar. In den kommenden Monaten sind widersprüchliche Gerichtsurteile zu dieser Frage zu erwarten, zudem laufen weitere Verfahren gegen Trump, die ihm erhebliche Probleme bereiten können.

Und reicht ein bisschen Golfspielen, um den Folgen reichlichen Burger-Konsums und eines das Herz belastenden cholerischen Temperaments entgegenzuwirken? 2015 bescheinigte sein damaliger Leibarzt Harold Bornstein Trump, er werde »das gesündeste jemals zum Präsidenten gewählte Individuum« sein – gab aber drei Jahre später zu, dass Trump ihm diese Aussage diktiert habe.

Es drohen Handschellen, Disqualifizierung, Infarkt – wenngleich Trump in den Umfragen für die Vorwahlen mit über 60 Prozent weit in Führung liegt, gibt es gute Gründe, sich mit seinen Konkurrent:innen in der Republikanischen Partei zu befassen. Die repu­blikanische Rechte hat sich auf Eventualitäten vorbereitet, wohl vor allem, weil der nicht für Disziplin und Fleiß bekannte Trump in seiner ersten Amtszeit eine dürftige legislative Bilanz hinterlassen hat. Zusammengeschlossen im Project 2025 erstellte sie bereits das mehr als 900 Seiten umfassende Regierungsprogramm »Mandate for Leadership – The Conservative Promise«.

Sollte bei den Demokraten etwas schiefgehen – um Joe Bidens Gesundheit steht es unabhängiger Expertise zufolge gut, aber er wird kurz nach der Wahl 82 –, ist die Nachfolgefrage klar und beruhigend geregelt. An die Spitze rückt dann Kamala Harris, ohnehin die coolere und dynamischere Person des Duos. Konkurrenz bei den Vorwahlen haben die beiden nicht zu fürchten, doch es drohen andere Gefahren. Viele linke Demokrat:innen könnten ihrer Partei wegen der Unterstützung für Israel die Gefolgschaft verweigern, zudem gibt es in linksautoritären Milieus einen Hang zu Verschwörungstheorien, insbesondere im Kontext der Covid-19-Pandemie und bei Fragen von Gender und Transgender.

Die Folge könnte Wahlenthaltung sein, aber auch größerer Zulauf für Kan­di­dat:innen jenseits der beiden großen Parteien. Eine Chance, ins Weiße Haus einzuziehen, haben sie nicht. Aber den Umfragen zufolge erwägen 15 bis 20 Prozent, third party candidates oder Unabhängige zu wählen, und schon ­einige wenige Prozent der Stimmen in entscheidenden swing states könnten den Ausschlag für einen republikanischen Sieg geben.

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Ron DeSantis: Der Schaumschläger

Von allen republikanischen Konkur­rent:innen Trumps ist Ron DeSantis dem Original am ähnlichsten. Der Gouverneur von Florida präsentiert sich als der junge und dynamische Nachfolger, der verwirklichen wird, was Trump nur versprochen hat.

DeSantis ist ein leidenschaftlicher rechter Kulturkämpfer – aber das war es auch schon, und selbst im Kulturkampf hat er sich nicht sonderlich geschickt angestellt. Populär unter Rechten ist zwar sein »Don’t Say Gay«-Gesetz gegen die Erwähnung von LGBT-Themen im Schulunterricht, aber: Don’t mess with Mickey Mouse! Die Konfrontation mit dem Disney-Konzern wegen dessen angeblich »woker« Politik dürfte ein Fehler gewesen sein.

»Wir werden alle diese Leute aus dem Tiefen Staat haben, und wir werden gleich am ersten Tag damit beginnen, ihnen die Kehle durchzuschneiden.« Ron DeSantis

Denn auch wenn Rechte mit der ungewohnten Kolorierung von Meerjungfrauen hadern, gehören Disneys Figuren doch zum Kulturgut des American way wie Burger und Baseball. Zudem ist der Disney-Konzern der größte Arbeitgeber in Florida. Dass der Gouverneur als ideologischer Eiferer Investitionen und Arbeitsplätze gefährdet, ist schwerlich mit konservativen Vorstellungen von Wirtschaftskompetenz vereinbar.

Aber das Feindbild stimmt. DeSantis fehlt das Charisma des authentischen Schreihalses – warum die B-Version wählen, solange das Original noch im Rennen ist? Doch er belegt derzeit in Umfragen mit etwa zwölf Prozent den zweiten Platz und wäre der wahrscheinlichste Ersatz beim Ausscheiden Trumps. Im Fall eines Wahlsiegs würde er sich wohl weiter dem Kulturkampf widmen und ansonsten den Vorgaben des Project 2025 folgen.

Ron DeSantis: Der Schaumschläger

Ron DeSantis: Der Schaumschläger

Bild:
Florida State Government

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Nikki Haley: Die Opportunistin

Die Tochter eines eingewanderten indischen Ehepaars wäre die erste Frau und die erste person of color im Weißen Haus. Nikki Haley ist gegen Abtreibung und Gewerkschaften, befürwortet Steuersenkungen und schärfere Einwanderungsgesetze, DeSantis’ »Don’t Say Gay«-Gesetz ist ihr zu lasch. Solider Rechtskonservatismus, aber konziliant vorgetragen – das könnte Wähler:innenschichten erschließen, die nicht vergessen haben, dass Konservatismus etwas mit gutem Benehmen zu tun hat, und vom offenen Rassismus Trumps abgestoßen werden.

»Ich würde nicht kandidieren, wenn Präsident Trump kandidiert.« Nikki Haley

Doch Haley steht nicht zu Unrecht im Ruf, eine Opportunistin zu sein. Das ist zwar nicht ungewöhnlich in der Politik, doch man sollte es besser zu verbergen wissen. Haley unterstützte 2016 Marc Rubio und kritisierte Trump, diente ihm aber dann als UN-Botschafterin, wollte noch 2021 nicht gegen ihn kandidieren, tat es dann aber doch. Als Gouverneurin von South Carolina verteidigte sie zunächst die Südstaaten-Flagge als Symbol »edler Traditionen« für viele Bewohner:innen, ließ sie später jedoch vom Kapitol des Bundesstaats entfernen. Jüngst korrigierte sie ihre Aussage, im Amerikanischen Bürgerkrieg sei es um die Regierungsweise und Freiheiten gegangen: »Ich hätte Sklaverei sagen sollen.«

Haley belegt mit elf Prozent in jüngsten Umfragen den dritten Platz. Dass die Heritage Foundation, führende Kraft im Project 2025, sie als »America’s Iron Lady« feiert, könnte ihr nutzen, wenn Ersatz für Trump gesucht werden muss. Doch ihr Opportunismus macht sie angreifbar, und es ist fraglich, ob die republikanische Basis von einer Frau und person of color repräsentiert werden will.

Nikki Haley: Die Opportunistin

Nikki Haley: Die Opportunistin

Bild:
CC BY-SA 3.0 Deed

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Chris Christie: Der letzte Gemäßigte

Er ist der einzige unter den republikanischen Kandidat:innen, der eine politische Alternative zum Trumpismus vertritt. Ihn einst unterstützt zu haben, bezeichnet Chris Christie nunmehr als »Fehler«.

Der Sturm auf das Kapitol war ihm dann doch zu viel, seither hält er sich mit Kritik an Trump (»er wird verrückter«, »ekelhaft«, »Diktator«, »Feigling«) nicht mehr zurück. Der ehemalige Gouverneur von New Jersey kann als der einzige verbliebene prominente Repräsentant des ehemaligen Establishments der Partei gelten: wirtschaftsliberal, aber nicht ­offen gewerkschaftsfeindlich, konservativ in Gender-Fragen, aber ohne Häme gegen LGBT, eigentlich gegen Abtreibung, aber auch gegen ein landesweites Verbot.

»Ich bin der Einzige, der sagt, dass Donald Trump ein Lügner ist.« Chris Christie

Nicht zuletzt seine Regierungszeit als Gouverneur weist ihn als gemäßigten Pragmatiker aus: als zweiter US-Bundesstaat verbot New Jersey 2013 die Konversionstherapie zur »Heilung« von Homosexuellen, sein Programm zur Förderung erneuerbarer Energien bediente sich bereits einiger Maßnahmen, die nun von den Demokraten landesweit angewendet werden.

Obwohl nicht ohne Charisma und in der Lage, temperamentvoll zu poltern, dürfte Christie chancenlos bleiben; in den Umfragen kommt er auf kaum mehr als drei Prozent. Einer großen Mehrheit der republikanischen Basis ist er viel zu lasch, und das neue Esta­blishment der Partei sammelt sich hinter dem Programm des Project 2025. Dieser Führungsriege dürfte er ebenfalls als zu gemäßigt gelten, zudem ist er wohl der einzige unter den republikanischen Kandidat:innen, der kompetent und durchsetzungsfähig genug wäre, die Leitlinien seiner Politik unabhängig festzulegen.

Chris Christie: Der letzte Gemäßigte

Chris Christie: Der letzte Gemäßigte

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Gage Skidmore(CC BY-SA 3.0 Deed

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Paul Dans: Der Manager

Jahrelang gab es die Hoffnung, die gemäßigten Republikaner würden sich bei passender Gelegenheit Trumps entledigen und sich ihre Partei zurückholen. Passende Gelegenheiten gab es mehr als genug, nunmehr muss konstatiert werden, dass rechtskonservative Kräfte das Establishment der Partei dominieren. An Trumps erster Amtszeit bemängeln sie vor allem, dass der Präsident zu wenige Gesetze durchbrachte – weil er lieber zeterte, aber auch weil seine Personalpolitik, milde ausgedrückt, erratisch und von Querelen geprägt war. Dem soll das Project 2025 abhelfen.

»Wir müssen das Gebiet mit Konservativen fluten.« Paul Dans

Dabei spielt Paul Dans, Mitherausgeber von »Mandate for Leadership – The Conservative Promise« und Direktor des 2025 Presidential Transition Project der rechtskonservativen Heritage Foundation, eine führende Rolle. Das Programm sieht unter anderem eine Abkehr vom Klimaschutz vor. Um diese und andere geplante Maßnahmen durchsetzen zu können, wird loyales Personal benötigt, das aber – was in Trumps erster Amtszeit keineswegs immer der Fall war – möglichst auch kompetent sein soll. Dans will es beschaffen. Der erfolgreiche Anwalt kennt als ehemaliger Stabschef des United States Office of Personnel Management Präsident Trumps die Probleme aus eigener Anschauung und ruft nun mit einem »Fanfarenstoß« dazu auf, »vom Berufsleben wegzutreten und zu sagen: ›Das ist der Moment meines Lebens, zu dienen.‹«

Wie erfolgreich die Personalakquise sein wird und ob die so eingesammelte Professionalität Chaostage im Weißen Haus verhindern kann, ist unklar. Aber während die erste Amtszeit Trumps eine Improvisation war, haben die rechten Republikaner nun einen Plan. Das würde die zweite Amtszeit – oder die Präsidentschaft des mutmaßlichen Ersatzmannes DeSantis – weitaus gefährlicher machen.

Paul Dans: Der Manager

Paul Dans: Der Manager

Bild:
The Heritage Foundation

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Robert F. Kennedy Jr.: Der Querfrontler

Er kämpfte als Anwalt für Umweltschutz, setzte sich für Minderheitenrechte ein und befürwortete höhere Steuern für Reiche und Großunternehmen – seine politische Karriere begann Robert F. Kennedy Jr. als gemäßigter Linker. Er wollte zunächst für die Demokratische Partei antreten, entschied sich dann aber für eine Kandidatur als Unabhängiger.

»Es gibt keinen Impfstoff, der sicher und wirksam ist.« Robert F. Kennedy Jr.

Mittlerweile ist Kennedy das US-amerikanische Pendant zu Sahra Wagenknecht, er verrührt Sozialpopulismus und vermeintliche Friedenspolitik zu einer Querfront-Melange. Ob Pandemieschutz oder Ukraine-Hilfe – all das ruiniere die middle class, als deren Repräsentant er sich versteht. Seine derzeitige Popularität – knapp 40 Prozent der US-Amerikane­r:in­nen haben eine positive Meinung über ihn – verdankt er jedoch der Verbreitung von Verschwörungstheorien, vor allem über Impfungen und Covid-19: alles Geschäftemacherei der Pharmaindus­trie. Kennedy behauptete aber auch, Genderdysphorie sei eine Folge von Atrazin im Trinkwasser. Das Herbizid mache zehn Prozent der männlichen Frösche zu weiblichen, und es gebe »eine Menge Beweise«, dass es bei Menschen eine ähnliche Wirkung habe.

Kennedy verteidigt Israel, das dürfte ihn für antizionistische Linke unwählbar machen. Über Big Pharma schimpfen auch Rechte, doch deuten die Umfragen darauf hin, dass er mehr Stimmen von unzufriedenen Demokrat:innen erwarten kann – pseudowissenschaftlicher Irrationalismus und Verschwörungstheorien verfangen auch bei vielen Linken. Und ein wenig profitiert Kennedy wohl noch vom Mythos seines Clans und der verklärten Erinnerung an seinen Onkel John F. Kennedy. Er könnte einen zweistelligen Stimmenanteil erreichen.

Robert F. Kennedy Jr.: Der Querfrontler

Robert F. Kennedy Jr.: Der Querfrontler

Bild:
CQ Roll Call / Library of Congress / Tom Williams

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Jill Stein: Die Antizionistin

Die Green Party of the United States ist im Zweiparteiensystem des Landes zur Opposition verdammt. Das hat den Vorteil, dass sie keinem realpoli­tischen Anpassungsdruck unterliegt und konsequent linke und ökologische Positionen vertreten kann. Bereits 2006 propagierte sie einen staatskapitalistischen Green New Deal.

Doch die Partei steht auch in der an­tiimperialistischen Tradition des Mainstreams der US-Linken, was heutzutage de facto eine Entsolidarisierung mit tatsächlichen Befreiungsbewegungen mit sich bringt. So bezeichnete Jill Stein die Massenproteste des Euromaidan 2013/2014 in der Ukraine als »Putsch«, der von den USA unterstützt worden sei.

»Wir sind jetzt bei der Totenwache für zwei Millionen Menschen. Das ist nichts weniger als Völkermord.« Jill Stein

Für die US-Linke ist Stein, deren Eltern Nachkommen aus Russland eingewanderter Juden waren, die wohl wichtigste jüdische Stimme für das, was sie für einen gerechten Frieden in Nahost halten. 2016 bekundete Stein, sie sei nicht gut genug informiert, um sich zwischen Ein- und Zweistaatenlösung zu entscheiden, doch hält sie sich für gut genug informiert, um – wie auch ihre Partei – die BDS-Bewegung zu unterstützen und gegen Israel die gängigen Schlagworte von Apartheid bis Genozid in Anschlag zu bringen.

Stein ist noch nicht offiziell Präsidentschaftskandidatin der Grünen, hat aber keine ernsthafte Konkurrenz mehr, seit Cornel West sich entschied, als Unabhängiger anzutreten. Sie dürfte die bevorzugte Kandidatin für Demokrat:innen sein, die sich wegen Bidens ­Israel-Politik von der Partei abwenden. Mehr als einen einstelligen Stimmenanteil kann sie nicht erwarten, doch waren es möglicherweise die 2,7 Prozent für den damaligen Grünen-Kandidaten Ralph Nader, die George W. Bush im Jahr 2000 den Wahlsieg verschafften.

Jill Stein: Die Antizionistin

Jill Stein: Die Antizionistin

Bild:
Gage Skidmore(CC BY-SA 3.0 Deed