In Berlin wird über die Kriminalität im Görlitzer Park in Kreuzberg diskutiert

Immer wieder Görli

Derzeit wird einmal mehr über Kriminalität im Berliner Görlitzer Park diskutiert. Die Zustände dort haben sich zwar zuletzt verschlechtert, die Grundprobleme sind aber schon seit Jahren dieselben.
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Hübsche Altbauwohnungen, unzählige Cafés und Restaurants, nette Spielplätze und ein Streichelzoo für Kinder: Es überrascht kaum, dass in der Gegend um den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg seit langem die Mieten und Immobilienpreise durch die Decken schießen.

An vielen Straßenecken zeigt die begehrte Wohngegend aber auch oft ein ganz anderes Gesicht: Seit Jahren werden dort offen Drogen gehandelt, seit einiger Zeit berichten Anwohner, dass immer mehr Drogenabhängige, Obdachlose und sichtbar psychisch Kranke auf den Straßen unterwegs sind.

Nachdem bekannt wurde, dass im Juni mutmaßlich eine brutale Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park stattgefunden hat, wird nun einmal mehr über die dortige Kriminalität diskutiert. Dabei geht es vor allem um die vorrangig afrikanischstämmigen Dealer, die nun schon seit vielen Jahren in dem Park und den umliegenden Straßen Drogen verkaufen.

Von den sechs Vergewaltigungen, die die Polizei am »kriminalitätsbelasteten Ort« Görlitzer Park im ersten Halbjahr 2023 registriert hat, fand allerdings eben nur diese eine im Park selbst statt; die übrigen ereigneten sich in Privaträumen im umliegenden Kiez, wie die Polizei auf Anfrage der Taz mitteilte.

Viele Dealer sind ruhige und höfliche Zeitgenossen, die nur ihrer Arbeit nachgehen wollen. Allerdings lässt sich kaum leugnen, dass sich vor allem viele Frauen auch wegen des Drogenhandels im Park und in der Umgebung nicht sicher fühlen.

Das Thema ist für Linke unangenehm, weil sich Rechte schon seit langem mit Genuss auf die dortigen Zustände stürzen – da sehe man ja das Scheitern linker Gutmenschenträume. Dabei steht gerade dieser rechte Moralismus einer nüchternen Betrachtung der dortigen Verhältnisse im Weg.

Es gibt schon seit vielen Jahren kaum einen öffentlichen Ort in Berlin, der intensiver von der Polizei überwacht wird als der Görlitzer Park.

Zunächst einmal ist der Grund dafür, dass sich der öffentliche Drogenhandel gerade im Görlitzer Park so fest etabliert hat, wohl kaum, dass es in Kreuzberg so links und tolerant zugeht. Entscheidend dürfte vielmehr gewesen sein, dass die Gegend seit langem ein Zentrum des Partytourismus ist. Das hat für reichlich Laufkundschaft gesorgt, die sich Marihuana und Partydrogen wie Ecstasy besorgen will.

Erst seit wenigen Jahren sieht man in der Gegend vermehrt Drogenabhängige, die Heroin und Crack konsumieren. Besonders der Crack-Konsum hat aber offenbar in ganz Berlin zugenommen, ein anderer Schwerpunkt ist zum Beispiel der Leopoldplatz im Wedding.

Offener Drogenkonsum ist in Berlin nichts Neues; es ist alles andere als ausgemacht, dass die afrikanischen Dealer der Grund für dessen Zunahme sind, und schon gar nicht dafür, dass dieser verstärkt um den Görlitzer Park herum stattfindet. Zudem lassen sich offene Drogenszenen durch Repression meist nur verdrängen, nicht beseitigen.

Und das ist das zweite Beispiel für rechte Realitätsverweigerung bezüglich des Görlitzer Parks: Es gibt schon seit vielen Jahren kaum einen öffentlichen Ort in Berlin, der intensiver von der Polizei überwacht wird. Für das polizeiliche Vorgehen in dem Park ist nicht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zuständig, sondern die Berliner Innenbehörde. Schon 2014 wurde eine Arbeitsgruppe Taskforce Görlitzer Park zur Eindämmung der Drogenkriminalität eingerichtet.

Seit vielen Jahren führt die Polizei in dem Park regelmäßig Razzien durch, ständig patrouilliert sie in der Gegend, und wenn sie gerufen wird, ist sie meistens innerhalb weniger Minuten da. Dadurch ist die Kriminalstatistik rapide gestiegen, der Drogenhandel ist nicht zurückgegangen.

Anhänger einer law and order-Politik klagen gerne, der Staat sei »machtlos« – das stimmt in diesem Fall wohl auch, jedoch aus anderen Gründen, als sie denken. Ein wirksames Mittel gegen Kriminalität ist es nämlich, junge Männer gesellschaftlich zu integrieren, mit Hilfe von Sozialstaat, Sozialarbeit und dem Zugang zu Bildung und Erwerbsarbeit. Das ist kein linkes Hirngespinst – auch konservative Politiker wissen wohl sehr gut, wie wichtig diese Instrumente sind, um für gesellschaftliche Stabilität zu sorgen, auch wenn sie das in Wahlkampfreden nicht an die große Glocke hängen.

Doch gerade im Fall des Görlitzer Parks sind diese Mittel nicht anwendbar. 404 »Mehrfachstraftäter ohne Bleibeperspektive« hat die für den Görlitzer Park zuständige Taskforce der Polizei und des Landesamts für Einwanderung erfasst. Die meisten von ihnen stammen aus Gambia und Guinea. Viele sind »vollziehbar ausreisepflichtig«, wie ein Sprecher der Innensenatorin dem Tagesspiegel sagte; das heißt, sie könnten abgeschoben werden, wenn ihre Herkunftsstaaten kooperieren würden.

Man kann davon ausgehen, dass die meisten von ihnen lieber einem normalen Beruf nachgehen würden, anstatt sich als Kleinkrimineller durchzuschlagen. Ihnen zumindest eine Aussicht darauf zu geben, wäre wohl ein wirksameres Mittel gegen den Drogenhandel – und für den Staat günstiger – als die polizeiliche Dauerbewachung des Parks.

Es widerspräche aber den Prinzipien der hiesigen Asylpolitik. Diese will ja gerade sicherstellen, dass die jungen Männer, die für viel Geld den gefährlichen Weg nach Europa zurückgelegt haben, ihren Familien zu Hause nichts Besseres zu ­berichten haben, als dass sie es zum Hinterhofdealer auf der niedrigsten Stufe des Berliner Drogenmarkts gebracht haben. Jede gescheiterte Existenz, der das reiche Deutschland nicht mehr Glück gewährt, als sich vorm Rewe in der Wrangelstraße zu betrinken, ist eine Botschaft im Sinne des deutschen Staats: Kommt nicht hierher! Die Chance auf ein normales Leben, so die dahinter liegende Vorstellung, sei ein »Pull-Faktor«, der weitere Migranten anziehen würde.

Deshalb haben Rechte völlig recht, wenn sie sagen, die Zustände am Görlitzer Park seien ein Resultat der – oft heißt es: gescheiterten – Flüchtlingspolitik, nur eben andersherum, als sie meinen. Wenn eine Gesellschaft unzähligen Migranten den Zugang zu einer bürgerlichen Existenz verbaut, wird es eine wachsende Gruppe Menschen geben, die hier leben, aber aus der Gesellschaft ausgestoßen bleiben – mit allen Konsequenzen.