Der Film »How to Blow Up a Pipeline« ist ein Thriller über Umweltaktivismus

Wenn der Film besser als das Buch ist

Das Sachbuch »How to Blow Up a Pipeline« des Klimaaktivisten Andreas Malm ist verfilmt worden – und zwar als Thriller. Während Malm wiederholt dadurch aufgefallen ist, Antisemitismus zu verharmlosen und gegen Israel zu hetzen, bleibt der Film von derlei Tiraden verschont.

Geschickt angestellt haben sie sich nicht. Am 27. April 2022 versuchten zwei Klimaaktivisten, die 465 Kilometer lange Ölpipeline von Triest nach Ingolstadt zu sabotieren. Die beiden Beschuldigten wollten sich an der Pumpstation Niederambach bei Moosburg in der Nähe von München zu schaffen machen, um die Verteilung des Rohöls an die Raffinerien zu unterbrechen. Doch die Alarmanlage schlug an, als sie über den Zaun kletterten.

Die Polizei nahm die beiden vorläufig fest. Die Eigentümergesellschaft stellte den Betrieb der Pipeline daraufhin für fünf Stunden ein, größerer Schaden soll jedoch nicht entstanden sein. Das steht im zehnseitigen Durchsuchungsbeschluss, mit dem am frühen Morgen des 25. Mai dieses Jahres in einer bundesweiten Razzia Wohnungen von Unterstützer:in­nen und Aktivist:innen der »Letzten Generation« durchsucht wurden. Den gescheiterten Sabotageversuch führten die Behörden wohl an, um ihren Vorwurf der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu untermauern.

Es wäre nicht verwunderlich, sollte die Polizei bei den Wohnungsdurchsuchungen auch auf ein kleines Büchlein mit dem Titel »Wie man eine Pipeline in die Luft jagt – Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen« des schwedischen Humanökologen und Aktivisten An­dreas Malm gestoßen sein. Entgegen dem Titel enthält das Sachbuch zwar keine Anleitung, wie man Pipelines sprengt, sehr wohl aber eine politische und ethische Rechtfertigung, eben dies zu tun. Malm, der seit Jahrzehnten in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv ist, gilt vielen als Ideengeber der Bewegung. Falls die beiden Aktivisten nicht von Malms Buch angespornt wurden, so teilten sie zumindest seine Befürwortung gezielter Sabotageakte, um gegen die fossile Industrie vorzugehen. Bloß an der Umsetzung haperte es.

Nun kommt ein Spielfilm in die deutschen Kinos, der zeigt, wie man es besser macht. »How to Blow Up a Pipeline« des US-amerikanischen Regisseurs Daniel Goldhaber überträgt Malms Manifest konsequent in filmische Form. Denn darin geht es um eine Gruppe von Klimaaktivist:in­nen, die eine Pipeline sprengt. Im Gegensatz zu Malm, der für seine Argumentation die Geschichte der sozialen Revolten und ihre Anwendung von Gewalt heranzieht, verzichtet der Film weitestgehend auf eine diskursive Ebene und stellt sich von Anfang an auf die Seite seiner Prota­go­nist:innen.

Das deutet sich schon zu Beginn des Films an, wenn eine junge Frau zu sehen ist, die aus den Reifen eines SUV die Luft entlässt und an der Windschutzscheibe ein Pamphlet mit der Überschrift »Warum ich dein Eigentum sabotiert habe« hinterlässt. Die »tyre extinguishers« (etwa: Reifenlöscher) sind eine weltweite ­Bewegung, auf die sich Malm in seinen Texten und Reden immer wie­der bezieht.

Xochitl, so heißt die Frau, gehört zu einer Gruppe von frustrierten und wütenden Menschen, die alle auf ihre Art von der Klimakrise und Umweltzerstörungen betroffen sind. So ist ihre Mutter während einer heftigen Hitzewelle in Long Beach in Kalifornien gestorben. Ihre Freundin Theo leidet an einer seltenen Form von Leukämie, verursacht durch das Aufwachsen in der Nähe einer Ölraffinerie. Michael wiederum, ein Native American aus North Dakota, ist es leid mitanzusehen, wie das Land seines Ortes nach und nach für Ölbohrungen in Beschlag genommen wird und will vom Pazifismus seiner Mutter nichts mehr hören. So unterschiedlich die Charaktere auch sind, alle eint die Wut auf die herrschenden Verhältnisse. Ihre gemeinsame Ansicht, dass diese durch radikale Taten überwunden werden müssten, gründet im bitteren Empfinden von Ohnmacht.

»How to Blow Up a Pipeline« wurde auf 16-Millimeter-Film gedreht und ist simpel erzählt. Der Film funktioniert wie ein klassischer Action-Thriller, genauer gesagt stellt er eine sehr interessante Aktualisierung des Heist Movie dar. Denn hier wird erzählt, wie nicht etwa ein spektakulärer Raub vorbereitet und ausgeführt wird, sondern die Zündung zweier Bomben an einer unbewachten Stelle einer Pipeline in der abgelegenen texanischen Wüste. Das Ziel: den Ölfluss vorübergehend zu unterbrechen und dadurch exorbitante Kosten zu verursachen. Die Motivation für das Vorhaben ist also nicht die eigene Bereicherung, sondern der Kampf fürs Klima.

Malm sagte 2021 bei einer Diskussionsveranstaltung, dass die Hamas, genauer gesagt die »Helden des Widerstands in Gaza, angeführt von Mohammed Deif«, dem Militärchef der Terrororganisation, als Modell für den globalen Klimaaktivismus taugten.

Rückblenden zeigen die Vorgeschichten der verschiedenen Figur. So erfährt man beispielsweise über Xochitl, dass sie die unzähligen Treffen von Aktivist:innen satt hat und die »strategische Gewaltlosigkeit« – ein Begriff, auf den auch Malm eingeht – sowie Divestment-Kampagnen für nutzlos hält. Derartige Rückblenden sind ein erzählerischer Kniff, der auch an den Klassiker schlechthin des jüngeren Heist-Kinos denken lässt, an Quentin Tarantinos »Reservoir Dogs« (1995).

So einfach die Erzählung gehalten ist, so kraftvoll wirkt sie. Denn sie lässt kaum dramaturgische Pausen zu. Der akribische Bau der Fassbomben, der Transport zur Pipeline und das penible Verwischen aller Spuren, all das ist mit einer unglaublich mitreißenden Intensität erzählt, die in ihrer Sogwirkung auch an die Filme der Brüder Safdie (»Good Time« oder »Der schwarze Diamant«) denken lässt.

Goldhaber und seine beiden Co-Autor:innen Jordan Sjol und Ariela Barer, die als Xochitl vor der Kamera zu sehen ist, sparen auch nicht mit nervenaufreibenden Komplikationen: ein ausfransender Spanngurt, der eines der hochexplosiven Fässer zu Fall bringt, unerwartete Besucher oder eine blutige Verletzung, die DNA-Spuren hinterlassen könnte. Wie für die Protago­nist:in­nen gibt es auch für das Publikum kaum Verschnaufpausen. Dazu kommt der beunruhigende und treibende Elektro-Soundtrack des Komponisten Gavin Brivik, der die nervöse Spannung weiter hochtreibt.

Der Film weiß auch von sich selbst und seiner Machtlosigkeit gegenüber den herrschenden Verhältnissen zu erzählen. In einer der Rückblenden interviewen Dokumentarfilmer den Aktivisten Dwayne, einen texanischen Farmer, dessen Land von der Regierung für den Bau einer Pipeline enteignet wurde. Das Filmteam möchte dem Leid und der Krise ein menschliches Gesicht geben, um das Bewusstsein des Publikums zu schärfen, so die Aussage des mitfühlenden Regisseurs. Aber ändere sich durch den Film irgendetwas? »Wir haben unser Zuhause verloren, wir wohnen bei meiner Mom und haben Tausende Dollar Anwaltskosten. Helft ihr uns damit?« fragt Dwaynes Frau das Filmteam. Die Antwort liegt auf der Hand.

Es ist ein Segen, dass sich der Film »How to Blow Up a Pipeline« auf das konzentriert, wofür das Kino da ist. Denn er erzählt vor allem mit filmischen Mitteln und erspart sich eine allzu diskursive Auseinandersetzung mit der Frage der Gewaltanwendung. Ansonsten hätte die Gefahr bestanden, dass er jenen Unsinn wiederholt, der sich in Malms Buch finden lässt. Der antizionistische Autor zieht darin beispielsweise einen haarsträubenden Vergleich zwischen dem radikalen Kampf für das Klima und dem Aufstand im Warschauer Ghetto.

Das ist nicht der einzige Vergleich, der zeigt, wes Geistes Kind er ist. 2021 sagte Malm bei einer Diskussionsveranstaltung, dass die Hamas, genauer gesagt die »Helden des Widerstands in Gaza, angeführt von Mohammed Deif«, dem Militärchef der Terrororganisation, als Modell für den globalen Klimaaktivismus taugten.

Wegen seiner die Shoah relativierenden und seiner den islamistischen Terrorismus verharmlosenden Äußerungen wurde er im Oktober 2022 zu Recht vom Klimaaktionstag an der Akademie der bildenden Künste in Wien ausgeladen.

Regisseur Daniel Goldhaber hat nach eigenem Bekunden Andreas Malm als Berater hinzugezogen und ließ ihn Drehbuchentwürfe lesen. Da kann man nur hoffen, dass sich demnächst Klimaaktivist:innen nicht wegen Malms Sabotagemanifest an Pipelines zu schaffen machen, sondern wegen Goldhabers großartig inszeniertem Genrefilm.

How to Blow Up a Pipeline (USA 2022). Regie: Daniel Goldhaber. Buch: Ariela Barer, Jordan Sjol, Daniel Goldhaber. Darsteller: Ariela Barer, Kristine Frøseth, Lukas Gage, Forrest Goodluck. Soeben im Kino angelaufen