Besetztes Haus geräumt

Schade um die Steine

Der Hausbesitzer Suitbert Beulker kam am Morgen des 4. September persönlich mit einer Schubkarre, einer Flex und einem Schweißgerät vorbei. Nachdem ihm der Gerichtsvollzieher die gerade von der Polizei geräumten Gemeinschaftsräume der Mieter im Erdgeschoss des ehemals besetzten Hauses in der Rigaer Straße in Friedrichshain übergeben hatte, mauerte er die Hauskneipe »Kadterschmiede« zu.

Helfen wollte ihm dabei niemand, nicht einmal die anwesenden Polizisten. Auch Ralf Hirsch, der im Auftrag des Senats seit Monaten nach einen Kompromiss zwischen dem Hausbesitzer und den Mietern gesucht hatte, meinte nur lakonisch: »Nun ist es Sache des Eigentümers, sein Eigentum zu sichern.« Denn der Hausbesitzer führt seinen Kleinkrieg nicht nur gegen die Bewohner, sondern auch gegen den Senat.

Zuvor war die Räumung der »Kadterschmiede« recht glatt verlaufen. Die Polizei war einfach schon seit halb fünf Uhr morgens auf den Beinen und verhinderte den für sechs Uhr angekündigten Barrikadenbau. Trotzdem flogen vereinzelt Steine auf die Polizisten, Straßen wurden blockiert und ein PKW brannte aus. Mit einer ausgeklügelten Verbarrikadierung des Erdgeschosses bereiteten die Hausbewohner der Polizei zwar Kopfzerbrechen, sie verteidigten sich aber nicht.

So waren am Ende alle zufrieden. Es war genug passiert, damit das alternative Wohnprojekt weiterhin als ein politisches Problem wahrgenommen wird; und es war so wenig passiert, dass sowohl Hirsch als auch die Friedrichshain-Kreuzberger Bürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) weiterhin mit den Hausbewohnern reden wollen. Im Falle einer militanten Verteidigung des Hauses hatten sie mit dem Abbruch aller Gespräche gedroht.

Dabei verwiesen sie bisher immer wieder auf zivilrechtliche Ansprüche, gegen »die man nichts machen könne«. Denn auch ein rot-roter Senat wahrt das bürgerliche Eigentumsrecht. Als der Besitzer im Jahr 2000 das Haus erwarb, akzeptierte er die 1991 zwischen der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain und den ehemaligen Hausbesetzern abgeschlossenen Mietverträge nicht. Sofort kündigte er den Rahmenvertrag über die Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss sowie alle 20 Einzelmietverträge im Seitenflügel und im Hinterhaus. Vor Gericht war Beulker allerdings nur mit der Räumungsklage erfolgreich, die das Erdgeschoss betraf.

Bereits Ende Mai hatte sich der Konflikt schon einmal zugespitzt. Im letzten Moment erklärten sich die Bewohner auf Vermittlung des Bezirksamts bereit, in ein Ersatzhaus umzuziehen, anschließend wurde der Vollzug der Räumung für drei Monate ausgesetzt. Dann aber lehnten sie das Ersatzobjekt ab, da sie dort nicht als Gruppe zusammenleben könnten. Im Augenblick sind noch vier Räumungsklagen anhängig.

Grundsätzlich sind die Bewohner der Rigaer Straße 94 zu einem Umzug in ein anderes Haus bereit. Zum Beispiel in die leer stehende, über 3 000 Quadratmeter große Schule in der Böcklinstraße in der Nähe des S-Bahnhofs Ostkreuz. Am Freitag besichtigten sie die Schule gemeinsam mit mehreren hundert Demonstranten schon mal von außen. Aber hineinlassen wollte die Polizei sie noch nicht.