Die Erfindung des TV-Duells und der Antiamerikanismus

Pulverdampf muss sein

La critique linguistique. Die Präsidentschaftsdebatte in den USA wird metaphorisch aufspektakelt.

Am 11. Juli 1804 trafen sich Alexander Hamilton und Aaron Burr am Ufer des Hudson River in Weehawken, New Jersey, zu einem Duell. Hamilton gilt heutzutage als einer der Founding Fathers der USA und hatte als deren erster Finanzminister gedient; Burr war zum Zeitpunkt des Duells Vizepräsident. Er blieb unverletzt, sein Schuss hingegen verwundete Hamilton tödlich.

Von einer »Präsidentschaftsdebatte« sprechen deutsche Medien ungern, da es ihnen als unprofessionell gilt, ohne Not eine Sache beim Namen zu nennen. 

Gut 220 Jahre später stellten sich Donald Trump und Kamala Harris im National Constitution Center in Philadelphia im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfs den Fragen zweier Fernsehjournalisten. Sie erschienen ohne Sekundanten und mutmaßlich unbewaffnet, so dass sie Schaden zwar an Ansehen und Würde, nicht aber an Leib und Leben riskierten. Folgerichtig spricht man in den USA nicht von einem duel, sondern von einer presidential debate.

Ein abgewandelter Satz Wittgensteins

Deutsche Medien lieben zwar Anglizismen und Denglisch; so meinen sie mit »US-Administration« nicht etwa die Verwaltung, sondern die Regierung, weil diese im amerikanischen Englisch eben administration heißt. Von einer »Präsidentschaftsdebatte« sprechen sie jedoch ungern, da es ihnen als unprofessionell gilt, ohne Not eine Sache beim Namen zu nennen.

Als eherne Regel dient ein abgewandelter Satz Wittgensteins: Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich metaphorisch sagen; und worüber man nicht in schiefen Bildern reden kann, darüber muss man schweigen. Ohnehin kann man das deutsche Publikum mit einer öden Diskussion nicht locken, es verlangt nach mehr Action und Spektakel. Deshalb heißt die Präsidentschaftsdebatte »TV-Duell«. Bäm!

Worüber man nicht in schiefen Bildern reden kann, darüber muss man schweigen.

Der kulturlose Ami in seiner literal-mindedness mag beim Wort »Duell« an ein Duell denken. Der philosophische Deutsche hingegen, dem die Welt ein Text und die Realität ein Narrativ ist, versteht darunter ein dramaturgisches Element aus »Star Wars«, »Game of Thrones« und anderen maßgeblichen Quellen des politischen und historischen Denkens.

Zudem hat man die Vergangenheit hierzulande derart gründlich aufgearbeitet, dass längst niemand mehr weiß, woran Ferdinand Lassalle gestorben ist (oder wer das überhaupt war).

Vom Duell zum Triell

Ein Problem ergab sich allerdings, als im vergangenen Bundestagswahlkampf zum »TV-Duell« gleich drei Gäste einzuladen waren. Man behalf sich mit dem überhaupt nicht albernen Neologismus »Triell«. Was aber, wenn die Bewerbungen um die Kanzlerschaft demnächst noch zahlreicher werden? »TV-Quadriell«, »TV-Gruppengemetzel«, »TV-Battle-­Royale«? Man darf gespannt sein.