Gaumenfreuden in Marseille: Wie Kaffee, Kir Royal und Fischsuppe schmecken

Schmausen wie Gott in Südfrankreich

Reisen macht hungrig und durstig, so ging es auch den Redaktionsmitgliedern der »Jungle World« während ihres Aufenthalts in Marseille. Wie man Kaffee bestellt, was für Namen französische Cocktails haben und wo es Fischsuppe gibt.

Kaffee oje

Bereits im TGV Richtung Marseille stellt ein Redaktionsmitglied fest, dass Kaffee für die Planungskonferenzen auf der Auslandsreise essentiell ist, und bangt, ob in den Unterkünften zur Zubereitung geeignete Maschinen bereitstehen. Um für die reibungslose Produktion der Zeitung ausreichend Kaffee herstellen zu können, wird auf eine French Press gehofft – passt ja immerhin zum Ziel. Doch in der Unterkunft angekommen, findet sich bloß eine olle George-Clooney-Kapselmaschine. Da diese die notwendigen Kaffeemengen unmöglich liefern kann, fängt man an, Kaffeepulver mit kochendem Wasser zu mischen und anschließend notdürftig auszusieben.

Die Aussicht, in einem pittoresken französischen Café zu sitzen und in einem Roman zu schmökern, gilt einigen als hinreichender Reisegrund. Allerdings bietet der Umgang mit der hiesigen Kaffeekultur einige Fallstricke.

Doch für manche Mitglieder der Redaktion ist Kaffee nicht nur ein Mittel zum Zweck. Die Aussicht, in einem pittoresken französischen Café zu sitzen und in einem Roman zu schmökern, gilt einigen als hinreichender Reisegrund. Allerdings bietet der Umgang mit der hiesigen Kaffeekultur einige Fallstricke. Als ein Redaktionsmitglied in einem Café am Hafen einen – das muss in einer globalisierten Welt doch drin sein – Cappuccino bestellt, begegnet ihm sein Gegenüber mit einem schiefen Blick, kramt in einer Schublade, stellt eine Dose auf den Tresen und hievt aus dieser einen großen Klumpen Kakaopulver in den bereits zubereiteten Kaffee. Der Klumpen taucht kurz unter und schwimmt dann an die Oberfläche – et voilà, ein Cappuccino.

Die Fallstricke französischer Kaffeekultur

Die Fallstricke französischer Kaffeekultur

Bild:
Jungle World

Eines besonders feinen Gaumens für Kaffeegenuss rühmt sich ein anderer Redakteur. Er weiß, café au lait wird vornehmlich zu Hause zum Frühstück getrunken; wer das Getränk auswärts bestellt, gibt sich als Tourist zu erkennen. Ein noisette ist ein Espresso mit einem Schuss Milch und ein café crème ist das französische Äquivalent zum Cappuccino. Der Kollege hat sich vor der Reise von einer Bekannten eigens eine Liste der besten Cafés Marseilles zusammenstellen lassen, die er nun abklappert. Auch ihm wird wahlweise Kakaopulver auf den Kaffee gekippt oder er landet bei Hipstern, die – wie in Berlin – einen nahezu ungenießbar sauren Kaffee servieren. Allerdings fängt sich der Kaffeegourmet im Laufe der Reise eine stattliche Erkältung ein und verliert Geschmacks- und Geruchssinn. Nun können ihm zwar weder Kakaopulver noch Säuregehalt den Kaffee vermiesen, doch wird er dafür wieder Mittel zum Zweck.

Kir (Royal)

»Wir heißen ›Bar du Peuple‹. Weißt du, was das heißt?« fragt die Betreiberin besagter Bar, die mitten in der Innenstadt von Marseille an einer Straßenecke liegt. Diese spröde Antwort folgte auf die ahnungslose Bestellung eines Kir Royal. Bis dahin wusste der Redakteur nicht einmal, was ein Kir Royal ist. Eine Freundin hatte die Bar empfohlen, denn dort sei besagtes Getränk besonders günstig. Die Betreiberin spricht langsam und deutlich, in der Hoffnung, dass man sie versteht. Sie hat gemerkt, dass vom Schulfranzösisch ihres Gegenübers nicht viel geblieben ist. »Wenn du einen Kir Royal willst, musst du in die Luxusrestaurants im gentrifizierten Viertel gehen. Wir haben nur Kir.«

Dann eben einen Kir – vermutlich hat die Freundin sowieso davon gesprochen. Im Lauf der Recherche wird klar: Ein Kir Royal ist eine Variante des französischen Cocktails Kir. Er besteht aus Crème de Cassis, gekrönt mit Champagner. Für den traditionellen Kir hingegen wird Weißwein der Rebsorte Aligoté verwendet. Außerdem gibt es eine sechsteilige Fernsehserie von Helmut Dietl aus den Achtzigern, eine Persiflage auf die Münchner Hautevolee, benannt nach dem königlichen Getränk, das man in der »Bar du Peuple« nicht ausschenkt.

Bar du Peuple in Marseille

Bar du Peuple in Marseille

Bild:
Jungle World

Auch ohne Kir Royal etablierte sich die »Bar du Peuple« als Stammkneipe der Jungle World. Wenn schon der Kaffee nicht fließt, weil er offenbar nicht allen schmeckt, müssen wenigstens andere Getränke her. Während man anderswo in Marseille gerne mal sieben Euro für einen halben Liter Bier verlangt, kostet es hier nur vier Euro – was freilich immer noch unerschwinglich ist, wenn man seinen Geldbeutel zu Hause vergessen hat. Aber auch darauf hat die sympathische Betreiberin eine Antwort: »Ach, ich bin heute hier, ich bin morgen wieder hier. Du bist morgen wieder hier. Hier – ein Bier für dich.«

Es ist eine wirklich schöne Bar, hier fühlt man sich wohl, aber eine Frage bleibt offen: Warum serviert man nicht auch eine günstige Variante des französischen Cocktails mit Crémant, Prosecco oder wenigstens Sekt statt mit dem wenig prickelnden Weißwein?

Fischers Fritz frisst frische Fischsuppe

Wer den nun trüben Tagen Berlins in die milde Sonne einer südfranzösischen Hafenstadt entflieht, will natürlich vor allem: Sonne, Meer und frischen Fisch. Da frisch gefangener Fisch bekanntermaßen teuer und das Budget knapp ist, wäre die Lösung, sich von dem Sud der ausgekochten Gräten und Schalen zu ernähren, in dem vielleicht noch ein wenig Fischfleisch schwimmt. Das, was der Bourgeois armen Leuten so übrig lässt, schwamm ursprünglich in der Bouillabaisse.

Die Bourgeoisie war so perfide, sich die Bouillabaisse anzueignen – als Luxusgericht.

In jüngerer Zeit aber war die Bourgeoisie so perfide, sich die Bouillabaisse anzueignen – als Luxusgericht. Erste Recherchen ergaben, dass man 60 bis 80 Euro für eine Bouillabaisse Marseillaise hinlegen muss. Und der Versuch, sich die Suppe zu teilen, wird mit dem einschlägigen Hinweis »par personne« auf den Menükarten von vornherein abgewehrt. Eigentlich könnte man jetzt schon den Tipp geben: Esst jamaikanisches Street Food, probiert die nordafrikanische Küche aus.

Phantastische Fischsuppe aus frisch filetiertem Fisch

Phantastische Fischsuppe aus frisch filetiertem Fisch

Bild:
Jungle World

Wäre da nicht das »Bouillabaisse Turfu«, ein unscheinbares, kleines Ladengeschäft, in dem nichts weiter steht als ein Herd und zwei lange Tische zum Anrichten und Vorbereiten, um zu den Öffnungszeiten die Fischsuppe herauszureichen.

Klar, sie ist keine Bouillabaisse Marseillaise, da sie nicht nach dem traditionellen Rezept der einschlägigen hiesigen Restaurant zubereitet ist, aber es handelt sich um eine phantastische Fischsuppe aus frisch filetiertem Fisch und Kartoffeln, mit ein wenig Minze und Gewürzen. Natürlich dient als Basis der selbstgemachte Fischfond. Dazu gibt es Brot und eine geheimnisvolle schwarze Paste. Wir hatten als Einlage Thunfisch, wahnsinnig zart und toll im Geschmack.

Essen konnten wir die Suppe in der nahegelegenen Bar Marengo, wo wir mit unserem mitgebrachten Take-out herzlich begrüßt wurden. Koch Chris Qi nennt das Nachbarschaftsarbeit, es gibt ein Bündnis der Ansässigen. Eingekauft wird natürlich im Fischgeschäft nebenan. Chris’ sanfte und ruhige, aber bestimmte Art verzauberte uns sofort, ganz wie die Suppe. Und man bekommt mindestens vier davon für den Preis einer bourgeoisen Bouillabaisse Marseillaise.