Mit »MaXXXine« beschließt Ti West seine Horror-Trilogie

Eine gegen Gott und Daddy

Auf »X« und »Pearl« folgt nun »MaXXXine«. Der US-amerikanische Regisseur Ti West beweist sich im finalen Teil seiner Horror-Trilogie als wahrer Meister des cineastischen Pastiche. Erneut glänzt Mia Goth als Pornosternchen mit Hollywood-Ambitionen, diesmal vor der Kulisse des fiebrig-poppigen Los Angeles im Jahr 1985.

Eine Männerstimme mit texanischem Akzent mahnt das junge Mädchen auf der Bühne, kein Leben zu akzeptieren, das es nicht verdient habe. Das Bild ist verwackelt und schwarzweiß. Die Stimme kommt aus dem Off, vermutlich steht der Mann hinter der Kamera. Handelt es sich hier um ein Heimvideo, auf dem ein Casting nachgespielt wird? Oder um ein echtes Casting?

Das bleibt in der Eröffnungsszene von »MaXXXine« unklar, sicher ist hingegen: Die Stimme gehört dem Vater des Mädchens, einem fanatischen TV-Pre­diger, den das Publikum bereits aus »X« (2022), dem ersten Teil von Ti Wests Horror-Trilogie – der zweite Teil war »Pearl« (ebenfalls 2022) –, kennt. Und sicher ist auch, dass die Sätze des Mannes nicht zum Em­powerment des Mädchens, sondern vielmehr zu religiöser Reinheit ­aufrufen.

West zieht sein Publikum zum dritten Mal in einen Retro-Slasher-Plot hinein, der zugleich ein Spiel mit Kinoreferenzen und Hommagen ist. 

Nach dieser Eröffnung zieht West sein Publikum zum dritten Mal in einen Retro-Slasher-Plot hinein, der zugleich ein Spiel mit Kinoreferenzen und Hommagen ist. West spitzt im finalen Teil nicht nur die Vater­geschichte, die in den beiden anderen Teilen lediglich die narrative Grundierung gebildet hatte, endgültig zu, sondern auch seine eigene wilde ­Erzählform, die aus »X« und dem Prequel »Pearl« bekannt ist.

»X« war im Jahr 1979 angesiedelt. Ein junges Filmteam fährt mit Kleinbus in die texanische Provinz, um dort einen Porno zu drehen. Das Vermieterehepaar an ihrem Drehort, einer abgelegenen Farm, stellt sich bald als Killerduo heraus, das praktischerweise über einen Teich samt hungrigem Krokodil verfügt, um die Leichen zu entsorgen. »X« war eine Liebeserklärung an das Horrorkino der siebziger Jahre, mit deutlichen Bezügen auf Tobe Hoopers »The Texas Chainsaw Massacre« (1974), den Urfilm des Hinterwäldler-Slasher-Genres. Hinzu kamen viele Metaan­spielungen auf das Filmemachen – schließlich ging es um einen Dreh.

Psychopathische Mörderin

Wichtige Konventionen des herkömmlichen Slashers unterlief West bereits hier: Der Killer in »X« ist un­typischerweise eine alte zerbrechliche Frau – Pearl (Mia Goth) in tollem Make-up), die ein Massaker anrichtet, und das am Ende überlebende »Final Girl« – Maxine (auch Mia Goth – ist eine unangenehme, harte und von Starkult getriebene junge Frau, die unüblicherweise weder moralisch noch sexuell unschuldig ist.

Das Prequel »Pearl«, an dessen Drehbuch Mia Goth als Co-Autorin beteiligt war, kehrt auf jene Farm in Texas zurück, allerdings im Jahr 1918. Es zeigt, wie die junge Pearl (wieder Mia Goth) dem kargen Landleben zu entkommen versucht. Sie will ein Star werden, entwickelt sich aber zu einer psychopathischen Mörderin.

Pearls Welt erscheint zunächst als buntes Technicolor-Märchen, ästhetisch orientiert am Hollywood-Kino der vierziger und fünfziger Jahre, zudem mit atmosphärischen Anleihen bei kitschigen Provinzbildern im Stil des Filmmusicals »The Sound of Music« von 1965. Im Verlauf der Handlung wird »Der Zauberer von Oz« (1939) zur zentralen Referenz von »Pearl«. West hat sein Prequel nicht umsonst einen »wahnsinnigen Disney-Film« genannt.

Als Hollywood-Schauspielerin durchstarten

Der artifiziellen Horror-Bilderbuchwelt ist das Psychogramm einer Killerin eingeschrieben, was Mia Goth die Gelegenheit gibt, sich die Seele aus dem Leib zu spielen: am eindrucksvollsten in einer mehrminütigen Szene ohne Schnitt, in der Pearl – gruselig enthemmt und tragisch zugleich – ungefiltert Einblick in ihre Gefühlswelt gibt.

Der abschließende Teil »MaXXXine« setzt im Jahr 1985 ein, sechs Jahre nach dem Ende von »X«. Maxine (wieder Mia Goth) versucht, das von Pearl angerichtete Gemetzel an ihren Freunden zu vergessen. In L.A. hat sie sich als Pornostar einen Namen gemacht, sie will aber als Hollywood-Schauspielerin durchstarten.

Sie geht zu Castings, schaut mit ihrem Kumpel Leon (Moses Sumney) Filme auf VHS-Kassetten und arbeitet mit dem windigen Agenten Teddy (Giancarlo Esposito) an ihrem Durchbruch. Bald gerät sie in Gefahr. Nicht nur treibt sich ein Serienmörder in der Gegend herum – eine Reminiszenz an den in den Medien »Night Stalker« genannten Serienmörder Richard Ramirez –, auch die Vergangenheit holt Maxine ein. Ein mysteriöser Geschäftsmann erpresst sie, er gibt sich selbst nicht zu erkennen, sondern hetzt ihr lediglich einen Privatdetektiv (Kevin Bacon) auf den Hals.

Passend zum subkulturell geprägten Schauplatz eines Los Angeles der achtziger Jahre entlädt sich hier ein buntes Gewitter von Genre-Codes, Hommagen und Referenzen.

Passend zum subkulturell geprägten Schauplatz eines Los Angeles der achtziger Jahre entlädt sich hier ein buntes Gewitter von Genre-Codes, Hommagen und Referenzen. Wenn die schwarzen Lederhandschuhe des Killers laut knirschen, das Messer funkelt und alles in übersattem, körnigem Licht leuchtet, sind die Verbeugungen vor dem Giallo-Genre, der italienischen Perversion von Krimi-Stoffen à la Edgar Wallace oder auch Hitchcock (etwa bei Dario Argento oder Mario Bava) überdeutlich. In »MaXXXine« freilich werden die ­sexistischen Inszenierungen von Frauenmorden im Giallo immer wieder durch die hartgesottene Prot­ago­nistin gebrochen.

Figuren wie der Privatdetektiv und die ermittelnden LAPD-Cops markieren ein Spiel mit den Manierismen des (Neo-)Noir und dessen spezifischer traditioneller Verbindung zu Los Angeles, die – stets angelehnt an die literarischen Vorgänger der hard-boiled-Schule um Autoren wie Raymond Chandler – in Filmen wie »L.A. Confidential« (1997) oder, ironisch gebrochen, in »The Big Lebowski« (1998) noch in den Neunzigern Umsetzungen fand.

Witziger Bezug auf Hitchcocks »Psycho«

Auch Slasher- und Gore-Elemente fehlen in »MaXXXine« nicht. Wie bei West üblich, werden sie mit handwerklicher Hingabe inszeniert. Hinzu kommt außerdem ein witziger Bezug auf Hitchcocks »Psycho« (1960). Einige Szenen spielen in und an einem Nachbau von Norman Bates’ ikonischem Elternhaus, das in »MaXXX­ine« als Kulisse für ein Remake wiederaufgebaut wurde. West webt zudem insbesondere die Ästhetik der beginnenden VHS- und Videothekenkultur in sein Pastiche ein.

Viel mehr noch als die beiden Vorgänger zerfällt »MaXXXine« in viele ironisch schillernde Oberflächen. Spannend ist, wie sich dieser formale Aneignungs- und Spieltrieb der Inszenierung zum Plot selber verhält. So nimmt Maxines Prediger-Vater nicht nur eine antagonistische Position in der Story ein, sondern sein Reinheitswahn steht auch in einem smarten Widerspruch zur Erzählform des Films, die ganz in postmoderner Referenzmanier das Vermischte, Unreine und Randständige präferiert – und folglich genau das feiert, was ein auf die Wiederherstellung eines organischen heilen Ganzen bestehender religiöser Fanatismus nicht akzeptieren kann.

Wer sich auf diese augenzwinkernd-schmutzige Feier der Popkultur einlässt, wird Spaß mit »MaXXXine« ­haben, wer allerdings auf Figuren mit psychologischer Tiefe und einen Plot mit Sog hofft, könnte enttäuscht werden.

MaXXXine (USA 2024). Buch und Regie: Ti West. Darsteller: Mia Goth, Kevin Bacon. Filmstart: 4. Juli