Doch nicht so menschenleere Städte während der Fußball-EM der Männer

In Schweiß, Suff und Gegröle

Kolumne übers Spazierengehen. Fußball hören statt sehen.

Es ist Fußball-Europameisterschaft der Männer, und nicht nur irgendeine, denn nach der WM 2006 findet mal wieder eines dieser Sportgroßereignisse in Schland statt. Seit Wochen wird ein neues »Sommermärchen« heraufbeschworen, ein Ereignis, das Deutschland wieder »stolz« machen soll, das die vielbedauerte »Spaltung« des Landes überwindet und alle Deutschen in Schweiß und Suff zusammenstehen lässt.

Eigentlich sollte diese Kolumne erzählen, wie es ist, während eines Spiels der deutschen Nationalmannschaft durch die Stadt zu flanieren. Im Kopf war der Text bereits geschrieben und handelte von menschenleeren Straßenbahnen und Supermärkten, von leergefegten Straßen, die an die Zeit der Corona-ausgangssperren erinnern, und von vereinzelten Rufen und Jubelschreien, die davon zeugen, dass man doch nicht der letzte Mensch in dieser Stadt ist. Und von dem Erlebnis, als Einziger nicht vorm Fernseher zu hocken, ein Erlebnis, das an Erhabenheit kaum zu überbieten ist, da man der allgemeinen Euphorie für dieses Fußballfest einfach mal den Stinkefinger zeigt. Subversion in Reinform.

Akustisch kann man das Spiel aus verschiedenen Himmelsrichtungen anhand animalischer, unartikulierter Laute mitverfolgen, die immer dann gegrölt werden, wenn fast oder tatsächlich ein Tor geschossen wird. Da ist es also doch, jenes Verbindende, das eine Gruppe zur Gruppe macht, was jeden Teil vom Ganzen sein lässt.

Doch die Realität machte einen Strich durch die Rechnung. Ja, es ist leerer auf den Straßen, ja, auch in den Geschäften ist weniger los. Würde man jedoch nicht gerade seine Aufmerksamkeit auf die vermeintliche Leere richten, würde einem womöglich gar nicht auffallen, dass gerade Fußball gespielt wird. Was auffällt, sind allein die Rufe. Akustisch kann man das Spiel nämlich aus verschiedenen Himmelsrichtungen anhand animalischer, unartikulierter Laute mitverfolgen, die immer dann gegrölt werden, wenn fast oder tatsächlich ein Tor geschossen wird. Da ist es also doch, jenes Verbindende, das eine Gruppe zur Gruppe macht, was jeden Teil vom Ganzen sein lässt.

Na ja, was nimmt man nun von dieser gar nicht mal so einsamen Erfahrung des Nichtfußballschauens mit? Man weiß es nicht. Sicher scheint nur, dass das Spiel gemessen an der Frequenz lautstarken Aufbrandens von Jubel und Flüchen in etwa 14:10 ausgegangen ist.