Zwei Klassiker der Moderne, ein Rap-Battle und eine Hochzeit

Der Haifisch will nur spielen

Popkolumne. Bühne frei für Brecht, Kendrick Lamar und Drake.

Hat der Haifisch eigentlich noch Zähne? Barrie Koskys Inszenierung der »Dreigroschenoper« im Berliner Ensemble hat eine Antwort parat: Gleich zu Beginn lugt ein schimmerndes Frauengesicht aus einem glitzernden Lamettavorhang hervor und gibt die Moritat von Mackie Messer zum Besten.

Ohne Biss allerdings kommt dann die Inszenierung daher: ein Musical mit Gassenhauern und Anleihen beim Ohnesorg-Theater. Mackie Messer wirkt wie ein Spießbürger, der an Karneval mal richtig die Sau rauslassen will, der Zynismus des Bettlerkönigs Peachum scheint wiederum durch den Zahn der Zeit abgeschliffen. Polizeichef Tiger Brown watschelt wie Charlie Chaplin durch das minimalistische Bühnenbild, das aus zwei Lamettavorhängen und einer Art Klettergerüst besteht. Einzig Mrs. Peachum darf recht ordentlich die Zähne fletschen. Doch auf einen sozialkritischen Gegenwartsbezug hofft man vergebens.

Wenn nicht einmal mehr die »Dreigroschenoper« ihre Langfinger in die Wunden dieser Zeit legt, ist man dann endgültig im Zeitalter der Scheinrealität angelangt? In früheren Inszenierungen war weniger Lametta und das war auch gut so.

Als europäische Gutmenschen mit Sozialversicherungsausweis begeben wir uns nächste Woche auf die »re:publica 24«, die unter dem Motto »Who cares?« steht.

Eine amüsante Performance boten Drake und Kendrick Lamar in diesen Tagen. Ihre hochgejazzte Rap-Battle, in der es erst um die Rap-Krone und dann schnell unter die Gürtellinie ging, war höchst unterhaltsam, endet nun aber auch schon fast wieder ­familienfreundlich: »Good times. Summer vibes up next«, verkündetet Kendrick Lamar, während Drake verlauten ließ: »You know, at least your fans are gettin’ some raps out of you, I’m happy I could motivate you«.

Wie wäre es dann mit der neuen motivierenden Powerpop-Single von International Music mit dem Titel »Liebesformular«? Ein augenzwinkernder Stimmungshit für die Sommerhochzeit.

Irgendwann im Sommer soll auch Robert Stadlobers Platte mit seinen Vertonungen von Tucholsky-Gedichten erscheinen. Für Ende Mai ist der von Stadlober kuratierte Tucholsky-Lyrik-Band »Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut« beim Verbrecher-Verlag angekündigt.

Ansonsten begeben wir uns als europäische Gutmenschen mit Sozialversicherungsausweis nächste Woche auf die »re:publica 24«, die unter dem Motto »Who cares?« steht. Die Auswirkungen der KI auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, der Rechtsruck, aber auch die Care-Arbeit stehen im Zentrum. Die Pflege-Mafia hierzulande mit ihren dubiosen Subunternehmern und untertariflich bezahlten Gastarbeiter:innen ist ein Business, das auch Peachum die Zähne hätte fletschen lassen.