Hamas, Honolulu oder Herne - bei der »Jungle World« ist man generell konferenzkritisch

Homestory #16/24

Der »Palästina-Kongress« in Berlin wurde verboten. Viele linke Konferenzen, Tagungen und Festivals sind aber schon aus rein kulturellen Gründen zweifelhaft.
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Der »Palästina-Kongress« in Berlin wurde nach langem Hin und Her schließlich doch verboten, mehr dazu können Sie in der neuen Ausgabe nach­lesen. Auch die Jungle World hat mal einen Kongress veranstaltet, zum 11. September 2001. Daraus entstand ein Buch, das im Oktober 2002 im Verbrecher-Verlag erschien (»Elfter September Nulleins: Die Anschläge, Ursachen und Folgen. Ein Kongress-Reader«).

Spätestens seitdem zählt die Jungle World zu den Feindbildern aller Linken, die von einer Kritik am Islamismus nichts wissen wollten – also genau für jenes Milieu, das am Wochenende Hamas-Anhänger zur »internationalen Vernetzung« nach Berlin einladen wollte.

Aber Inhalte mal beiseitegelassen: Was ist vom Format des Kongresses an sich zu halten? Eine Blitzumfrage im Kollektiv bringt unterschiedliche Ergebnisse. Einer war mit 20 mal bei der jährlich stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz, wo traditionell linke Kleingruppen auf die Jagd nach Neumitgliedern gehen. Diese ­Leute hätten allesamt so gewirkt, als würden sie gleich »Kool-Aid« trinken, erzählt das Kollektivmitglied, er sei auf unangenehmste Weise umzingelt, mit Flyern überhäuft und in wispernd-konspirativer Weise gefragt worden, ob er nicht bei diesem oder jenem Lesekreis mitmachen wolle – »hat mich für immer kuriert«.

Ingenieure halten sich genauso wie Linke für die Schlausten - und hören sich am liebsten selbst reden.

Ein anderes Kollektivmitglied hatte ein abschreckendes Erlebnis auf dem Fantifa-Kongress 2016 in Hamburg, als sie im Kritischen-Männlichkeits-Workshop erst belehrt wurde, dass »Fleisch zu essen« und »Sportlichkeit zur Schau zu stellen« männliche Eigenschaften seien, und dann gebeten wurde, mit ihrem »toten Tier auf dem Teller«, das sie sich nach dem Boxtraining reinziehen wollte, aus dem Raum zu verschwinden. Später wurde der ganze Kongress von einem Twitter-Mob zerlegt, weil eine Person einen safe space betreten hatte, in dem ihre Identitätskategorie verboten war, aber diese Details sparen wir uns jetzt lieber.

Eine Kollegin war auf einigen wissenschaftlichen Konferenzen im Bereich Physik und Chemie und kann berichten, dass Naturwissenschaftler im Gegensatz zu Linken in den feinsten Hotels konferieren (ihr Highlight: das Hilton in Honolulu), Ingenieure sich allerdings genauso wie Linke für die Schlausten halten und sich am liebsten selbst reden hören. Aber auf Hawaii erträgt man das natürlich entspannter als in irgendeinem AZ.

Gute Erfahrungen werden auf Kongressen offenbar vor allem dann gemacht, wenn es dort nicht allzu ernst zugeht. Ein Kollege war zum Beispiel zweimal auf dem Weltkongress der Hedonistischen Internationale und fand es ganz schön da. Es habe sich auch mehr wie ein Festival mit einem Haufen Workshops angefühlt.

Dass man sich den Hedonismus früher noch nicht offiziell verschreiben musste, um ihm zu frönen, kann ein Kollektivmitglied berichten, das zum Beispiel um das Jahr 1980 herum auf einem »Anarcho-Kongress« an einem Waldrand in der Nähe von Bielefeld dabei war. Neben dem Üblichen, Dope und Alkohol, seien dabei allerlei Psychedelika und Nachtschattengewächse im Spiel gewesen, weshalb die inhaltliche Arbeit eher zu kurz gekommen sei.