Simon Brost, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, im Gespräch über die Frage, worauf man beim Organisieren einer Demons­tration achten muss

»Demonstrationen sind ein Mittel, um das lähmende Gefühl der Passivität zu überwinden«

Es gibt genügend Gründe, auf die Straße zu gehen. Um eine Demonstration zu organisieren und ihren störungsfreien Ablauf zu gewährleisten, sind ein paar essentielle Kenntnisse wichtig. Die Broschüre »Auf die Straße, fertig, los!« von »Berlin gegen Nazis« und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) klärt über die Neuerungen und Besonderheiten des Berliner Versammlungsfreiheitsgesetzes und mögliche Herausforderungen im Verlauf einer Versammlung auf. Darüber sprach die »Jungle World« mit Simon Brost von der MBR.

An welcher Demonstration nahmen Sie zuletzt teil?
Das war eine feministische Demonstration in Berlin-Friedrichshain, der es um die Forderung universeller Solidarität ging. Dabei haben die Veranstalter:innen deutlich gemacht, dass insbesondere auch jüdische und israelische Frauen nach dem 7. Oktober ein Anspruch auf Solidarität haben. Zudem wurde israelbezogener Antisemitismus in progressiven Kontexten kritisiert. Um auf Vorfälle reagieren zu können, gab es ein kommuniziertes Schutzkonzept mit speziellen Ordner:innen-Teams. Diese Form der Vorbereitung ist nicht nur in Zeiten zugespitzter Debatten sinnvoll.

Warum demonstrieren wir eigentlich? Welchen Zweck haben etwa Demonstrationen gegen die extreme Rechte?
Demonstrationen sind für viele Engagierte ein Mittel, um in Zeiten des sogenannten Rechtsrucks das lähmende Gefühl der Passivität zu überwinden. Vereinzelt fällt eine eindeutige Positionierung deutlich schwerer als mit vielen anderen gemeinsam. Demonstrationen werden für sich genommen keine überzeugten Wähler:innen rechtsextremer Parteien zurückgewinnen, aber sie können eine Dynamik in Gang setzen, die Gesellschaft und Politik dazu veranlasst, sich aktiver zu verhalten. Klar ist aber auch, dass, wer sich positioniert, für mögliche Reaktionen gewappnet sein sollte.

»Bei Versammlungen gegen Rassismus oder Antisemitismus ist es aus unserer Sicht sinnvoll, von Anfang an auch über mögliche Störungen zu sprechen.«

Was ist bei der Organisation einer Demonstration besonders zu beachten?
Wie so häufig ist die Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg. Ein guter erster Schritt wäre, sich nach Verbündeten umzuschauen. Wer teilt mein Anliegen? Mit wem kann ich mich für die Organisation zusammenschließen? Gemeinsam kann man dann überlegen, wie der Protest aussehen muss, damit die Ziele der Demonstration erreicht und die Menschen angesprochen werden, mit denen man gemeinsam auf die Straße gehen will. Bei Versammlungen gegen Rassismus oder Antisemitismus ist es aus unserer Sicht sinnvoll, von Anfang an auch über mögliche Störungen zu sprechen. Wo verlaufen unsere roten Linien? Wann beginnt für uns eine Störung? Wie wollen wir mit möglichen Szenarien umgehen?

Stimmt es, dass man mit der Organisation oder dem Besuch einer Demonstration alle Persönlichkeitsrechte wie das Recht am eigenen Bild verliert?
Nein, so pauschal stimmt das nicht. Das sagen die Juristen, mit denen wir für die Handreichung zusammengearbeitet haben. Das eigene Recht vor Ort gegen filmende Rechtsextreme durchzusetzen, ist jedoch häufig schwierig. Wenn Videoaktivist:innen zu erwarten sind, sollte das bereits im Vorhinein mit der Polizei kommuniziert werden. Für den Tag selbst ist es wichtig, vorher festzulegen, wer die Ansprache der Störer:innen übernimmt. Um dabei nicht im Porträt abgefilmt zu werden, hilft Kreativität bei der Auswahl der Accessoires, wie etwa eine Perücke, ein bunter Sonnenschirm oder ein Pappschild mit einer geeigneten Botschaft.