Studentische Beschäftigte an Universitäten kämpfen für einen Tarifvertrag

Akademischer Arbeitskampf

An der Frankfurter Goethe-Universität fordern studentische Hilfskräfte einen Tarifvertrag. Einen solchen gibt es bisher nur in Berlin. Studentische Beschäftigte arbeiten meist sehr prekär und verdienen kaum mehr als den Mindestlohn.

Ob Forschung, Verwaltung oder Bibliotheken – an deutschen Hochschulen gibt es in fast allen Bereichen studentische Hilfskräfte, die den reibungslosen Betrieb gewährleisten. Meist arbeiten sie unter prekären Bedingungen, grundlegende Arbeitnehmer:innen­rechte werden ihnen oft vorenthalten. Unter den Schutz eines Tarifvertrags fallen sie nur an Berliner Universitäten. In allen anderen Bundesländern stehen die studentischen Beschäftigten ohne eine tarifliche Regelung von ­Arbeitszeit, Entlohnung und Urlaubsanspruch da. Die von studentischen Verbänden, zahlreichen Studierendenvertretungen und den Hochschulgewerkschaften GEW und Verdi getragene Initiative TV Stud kämpft seit Jahren darum, dies zu ändern. Bisher – abgesehen von Berlin – erfolglos.

Ein kleiner Durchbruch gelang der Initiative Ende vergangenen Jahres bei den Tarifverhandlungen des öffentlichen Diensts der Länder. Medienwirksame Aktionen und zahlreiche Warnstreiks hatten dafür gesorgt, der Situation der bundesweit rund 300.000 studentischen Beschäftigten öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Tarifgemeinschaft der Länder war zu ­Zugeständnissen gezwungen.

Für GEW und Verdi ist die Einigung ein erster Schritt hin zu einem richtigen Tarifvertrag. Viele studentische Hilfskräfte haben sich von den intensiven Protesten aber mehr versprochen.

Das Ziel, einen Tarifvertrag durchzusetzen, wurde zwar nicht erreicht, aber Arbeitgeber und Gewerkschaften einigten sich auf eine schuldrechtliche Vereinbarung. Im Gegensatz zu einer tarifvertraglichen Regelung können einzelne Beschäftigte bei einer solchen Vereinbarung ihre Ansprüche zwar nicht einklagen, aber eine Verletzung stellt ­einen Vertragsbruch dar und die Gewerkschaften können als Vertragspartei dagegen vor Gericht ziehen. Der Abschluss sieht ein Mindestentgelt von 13,25 Euro pro Stunde vor. Außerdem gilt nun eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr. Bisher war es oft üblich, auf wenige Monate befristete Arbeitsverhältnisse aneinanderzureihen.

Für GEW und Verdi ist die Einigung ein erster Schritt hin zu einem richtigen Tarifvertrag. Viele studentische Hilfskräfte haben sich von den intensiven Protesten aber mehr versprochen. Während sich die Gewerkschaften des DGB trotz der Blockadehaltung der Arbeitgeber weiter für einen Flächentarifvertrag für alle studentischen Beschäftigten einsetzen, will die Basisgewerkschaft Unterbau an der Goethe-Universität Frankfurt eine andere Strategie verfolgen. Ihr Ziel: Ein eigener Haustarifvertrag für die etwa 2.000 studentischen Beschäftigten und Tutor:innen der Universität. »Die prekären Arbeitsbedingungen müssen endlich der Vergangenheit angehören und dazu braucht es einen Tarifvertrag. Nicht irgendwann, sondern jetzt«, sagt Benjamin Rauch, Allgemeiner Sekretär bei Unterbau, der Jungle World.

Die Basisgewerkschaft Unterbau ist offen für alle Beschäftigten an der Universität, nicht nur studentische Hilfskräfte. Sie tritt damit in Konkurrenz zu den etablierten Gewerkschaften wie Verdi und GEW, die Hochschulangestellte vertreten. Als Fernziel strebt Unterbau die Errichtung einer »Körperschaft gleichberechtigter Hochschulangehöriger« an, »welche das Ständesystem an der Hochschule untergräbt und rätedemokratische Strukturen aufbaut, die an dessen Stelle treten.«

Bereits in der letzten Januarwoche beschloss eine Unterbau-Vollversammlung, das Präsidium der Universität offiziell zu Tarifverhandlungen für studentische Hilfskräfte aufzufordern, und einigte sich auf Tarifforderungen. Neben einer Mindestvertragslaufzeit von 36 Monaten verlangt Unterbau einen Urlaubsanspruch von acht Wochen im Jahr, 12 Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und einen Stundenlohn von 18 Euro. Nach einem Jahr soll der Lohn auf 19 Euro steigen und nach zwei Jahren auf 20 Euro. Außerdem fordern sie Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschüsse und einen garantierten Kita-Platz für Kinder der studentischen Beschäftigten.

Sollte die Basisinitiative Unterbau mit dem Kampf um einen Haustarifvertrag erfolgreich sein, könnte das Vorbildcharakter für die Tarifvertragsbewegung an anderen Universitäten haben.

Nachdem die Universitätsleitung die Frist zur Aufnahme von Verhandlungen verstreichen ließ, zogen am 6. Februar 160 Beschäftigte der Universität zur öffentlichen Übergabe der Forderungen vor das Präsidiumsgebäude. Weder der Universitätspräsident Enrico Schleiff noch der Kanzler Ulrich Breuer wollte sich ihnen stellen, weshalb sie ihre Forderungen kurzerhand in Form von Plakaten an der Tür anbrachten.

Um ihre Forderungen durchzusetzen, sind die studentischen Beschäftigten auch zu Streiks bereit. Bei ihrer Vollversammlung beschlossen die Mitglieder von Unterbau die Einleitung eines Arbeitskampfs, sollte die Goethe-Universität der Verhandlungsaufforderung nicht nachkommen. »Wir erfahren große Unterstützung und werden gerade Tag für Tag mehr. Wir sind streikbereit«, so Rauch. Wegen der tragenden Rolle der studentischen Beschäftigten könnte ein Streik den Hochschulbetrieb weitgehend lahmlegen.

Sollte die Basisinitiative Unterbau mit dem Kampf um einen Haustarifvertrag erfolgreich sein, könnte das Vorbildcharakter für die Tarifvertragsbewegung an anderen Universitäten haben. Einen Widerspruch zu den Bemühungen von GEW und Verdi, die Arbeitsbedingungen der studentischen Beschäftigten in einem Flächentarifvertrag zu regeln, sieht Unterbau nicht: »Im Gegenteil. Sind wir hier in Frankfurt erfolgreich, strahlt das auch auf die Fläche aus und erhöht den Druck, flächendeckende Regelungen zu schaffen«, ist sich Benjamin Rauch sicher. Zwei unterschiedliche Strategien also, aber ein gemeinsames Ziel: ein Ende der prekären Arbeitsbedingungen an den Universitäten.