Das Momentum der »Taz« aus sprachkritischer Perspektive

Denn sie wissen nicht, dass es nur »Schwung« bedeutet

Sprachkolumne. Eine Collage von Sätzen mit Momentum aus der »Taz«.
Das letzte Wort Von

Putins Panik ist ein Momentum für Kiew. Diese Zeiten haben ihm nämlich einen wichtigen Vorteil genommen: das Momentum. Das Momentum ist gekippt, Antifaschismus ist wieder »in«. Heute befänden »wir« uns darüber hinaus in einem historischen Momentum, das an die NS-Zeit erinnere. Militanz lohnt also – wenn sie das Momentum erwischt, Allianzen über die eigene Szene hinaus zu stiften. Wie oft zu Beginn von Krisensituation gibt es zunächst ein Momentum der Vergemeinschaftung.

Das Momentum ist mies.

Das liegt daran, dass menschliche Gewohnheiten viel stärker sind als das Momentum, das zwischen revolutionärem Reden und transformativer Praxis entsteht. Gewohnheit ist mächtig, hat Momentum und ist allergisch gegen Bevormundung. Zwar sehen deren Gegner derzeit ein Momentum für sich. Aber vielleicht, vielleicht nimmt man das Momentum dieses Zorns, um zu entscheiden, wer bestimmen soll im öffentlichen Raum. Naidoo? Ist das nicht momentan das deutscheste, populärste, interessanteste, weil nicht berechenbar-langweiligste Momentum, das in der öffentlichen Arena zu haben ist? Das Momentum ist mies.

Döhler stellte aber auch das Momentum des Scheiterns dar. Aufgabe der Ampelkoalition wäre es, dieses Momentum ohne Wenn und Aber ins Parlament zu tragen. Das Momentum hatte indes Annalena Baerbock am Zipfel. »Arschbohrer kriegt jeder«, das Momentum der Überraschung, das auf eine Einwilligung verzichtet, und die Zurschaustellung im Internet sind eine Verschiebung von Grenzen, die über das Ausprobieren hinausgehen.

Berlin lebt von Tempi und Timing, es zählen Dosis und Momentum. Das Momentum spricht aktuell auch für die Wiener – so objektiv muss man schon sein. Florenz aber würde seine Würde, sein historisches Momentum gegenüber dieser Eventkultur behaupten.

Berlin lebt von Tempi und Timing, es zählen Dosis und Momentum.

Pellegrinis meditative Landschaftsbilder, die fließende Sirenenmusik von Filippo Perocco und nicht zuletzt seine von einer Frauenstimme vorgetragene Erzählung appellieren wie eine Ballade an das Momentum einer bewussten Rückkehr. Sie liefern mal die Geschichte der Lochkarte, mal eine historische Einordnung der Inspiration – ein Momentum, das herbeizuführen immerhin ausgemachtes Ziel vieler Büroumgebungen ist. Eine Held:innentat aus der Not, die vom Momentum des »Niemand wird uns helfen, wenn wir es selbst nicht tun« lebte.