Laleh Nazarian und Mina Amani, Hamburger Initiative gegen Antisemitismus, im Gespräch über ihren Protest gegen Zamzam Ibrahim

»Die Intendantin ist eine Kulturrelativistin«

Ende Januar hielt die Klimaaktivistin Zamzam Ibrahim die Eröffnungsrede bei dem dreitägigen Festival »How low can we go?« in der Kulturfabrik Kampnagel in Hamburg. Kritisiert wurde das, weil Ibrahim im iranischen Staatsfernsehen auftrat und die Hamas verharmloste. Die »Jungle World« sprach mit Laleh Nazarian und Mina Amani von der Hamburger Initiative gegen Antisemitismus, die den Auftritt von Ibrahim gestört haben.
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Wer seid ihr, wann habt ihr die Initiative gegründet und warum?
Laleh Nazarian: Die Hamburger Initiative gegen Antisemitismus hat sich als Reaktion auf das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 gegründet. Sie setzt sich aus recht unterschiedlichen Einzelpersonen zusammen: Leuten mit linkem Hintergrund, antideutschen Antifaschist:innen und Liberalen, darunter auch einige wenige ­jüdische Menschen.

Was kritisiert ihr an Zamzam Ibrahim?
LN:
Ibrahim hat das antisemitische Massaker vom 7. Oktober gerechtfertigt und sich mit dem Mullah-Regime gemein gemacht, als sie, in Schwarz gehüllt, dessen Auslandssender Press TV ein Interview gab. Als vermeintliches Aushängeschild der »Klimabewegung des Globalen Südens« hat sie es dabei nicht für nötig befunden, die Situation inhaftierter Klimaaktivist:innen in den iranischen Gefängnissen anzusprechen. Damit schlägt sie allen Iraner:innen ins Gesicht, die für ihren Kampf um Emanzipation ihr Leben aufs Spiel setzen müssen. Mit ihrem Hijab und ­ihrer Unterstützung für islamistische Posi­tionen verkörpert Ibrahim in meinen Augen Antifeminismus und genau das Gegenteil von ­Diversität.

Wie sah euer Protest genau aus?
Mina Amani:
Ibrahims Eröffnungsrede wurde nur per Video gezeigt, sie selbst war nicht vor Ort. Das Kalkül der Intendantin Amelie Deuflhard war offensichtlich, dadurch den Skandal um ihre Einladung in handhabbarer Dimension zu halten, ohne vor der Internationalen Kunstszene das Gesicht zu verlieren. Doch es ging nicht auf. Nach ihrer Eröffnungsrede war Ibrahim bei einem Seminar ausschließlich für BIPoCs (Black, Indigenous, and People of Color) digital zugeschaltet. BIPoCs aus unserer Initiative taten sich zusammen und intervenierten in das Seminar.

»Wir dachten, wir bedienen das Kampnagel so richtig, indem wir uns in Tschadors kleideten. Als wir dort so aufliefen, wirkten die anwesenden Kampnagel-Mitarbeiter:innen überaus beglückt, dass mit uns nun endlich ›der Globale Süden‹, wie sie ihn sich so konstruieren, seinen Weg zu ihnen gefunden hatte.«

LN: Wir dachten, wir bedienen das Kampnagel so richtig, indem wir uns in Tschadors kleideten. Als wir dort so aufliefen, wirkten die anwesenden Kampnagel-Mitarbeiter:innen überaus beglückt, dass mit uns nun endlich »der Globale Süden«, wie sie ihn sich so konstruieren, seinen Weg zu ihnen gefunden hatte.
MA: Umso größer dann die Enttäuschung, als dieser Globale Süden den Tschador ablegte und nackte Haut entblößte, auf der Parolen der feministischen Revolution im Iran zu lesen waren, die sich für Frauenrechte und gegen Antisemitismus einsetzte, aber nicht für kulturalistische Identitäten.
LN: Ibrahim hat richtig angefasst reagiert. Als wir sie mit ihren Aussagen konfrontierten, hat sie sich zuerst damit herauszureden versucht, sie habe gar nicht gewusst, dass Press TV vom Mullah-Regime kontrolliert wird, sie habe mit dem Sender doch »nur« über »den Genozid an den Palästinensern« reden wollen. Als sie mit Beschwichtigungen nicht weiterkam, versuchte sie, unseren Widerspruch gegen sie als »Spaltungsversuche des herrschenden Systems« gegen die Einheit aller BIPoCs abzutun. Und als sie uns damit auch nicht mundtot bekam, fiel ihr plötzlich auf, dass ihre virtuelle Zuschaltung für sie nun keinen Safe Space mehr biete, und klickte sich weg. Damit schien dieser ohnehin sehr spärlich besuchte Workshop beendet.

Wie schätzt ihr die Rolle von Intendantin Deuflhard ein?
LN:
Für uns ist sie eine Kulturrelativistin, die ihre eigene Daseinsberechtigung darin zu finden scheint, dass sie Menschen wie uns entmündigt und sich damit noch als Antirassistin inszeniert.
MA: Laut einem Interview mit dem NDR würde sie selbst niemals »From the river to the sea« sagen. Es ließe sich fragen, ob sie stattdessen eine person of color wie Ibrahim einlädt, die es für sie ­sagen soll – weil Ibrahim ein Kopftuch trägt und sich jegliche Kritik an ihr als Rassismus abtun ließe. Dann müssten wir das Vorgehen des Kampnagel als richtiggehend bösartig empfinden.