Die westafrikanische Wirtschaftsorganisation Ecowas erkennt die Militärjunta im Niger an

Der neue Dialog mit Nigers Junta

Ein Sondergipfel der westafrikanischen Wirtschaftsorganisation Ecowas im nigerianischen Abuja erkennt die Militärjunta in Niger faktisch an, was Senegal und die Côte d’Ivoire verärgert.

Paris. Die politischen Fronten in Westafrika verändern sich, die EU und die USA reagieren unterschiedlich auf den wachsenden russischen Einfluss. So lässt sich die jüngste Entwicklung im französischsprachigen Teil Afrikas zusammenfassen. Am vorvergangenen Sonntag fand der Gipfel der westafrikanischen Wirtschaftsorganisation Ecowas (französisch: Cedeao) in der nigerianischen Hauptstadt Abuja statt. Die Präsidenten zweier der – mit erheblichem Abstand hinter Nigeria – stärksten Wirtschaftsmächte in der Ecowas blieben dem Treffen jedoch fern und entsandten lediglich Vertreter im Ministerrang. Es sind die Präsidenten Macky Sall aus dem Senegal, der zur Präsidentschaftswahl in seinem Land 2024 nicht mehr antritt, und Alassane Ouattara aus der Côte d’Ivoire, die so verschnupft reagierten.

Beide sind zahlreichen Kommentatoren zufolge ungehalten über den Kurs der Organisation, vor allem ihres stärksten Mitglieds Nigeria, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, in Hinblick auf dessen Nachbarland Niger. Dort hatte Ende Juli ein Militärputsch stattgefunden. Eine Junta unter Interimspräsident Abdourahamane Tchiani löste die bis­herige, als profranzösisch geltende Regierung unter Präsident Mohamed Bazoum ab und hält Bazoum bis heute in Haft.

Die Ecowas verhängte daraufhin Sanktionen gegen den Staat in der Sahelzone, was insbesondere zu Engpässen bei der Stromversorgung in Niger führte. Einige Mitgliedsländer, unter der Hand unterstützt durch die französische Regierung, strebten ein mili­tärisches Eingreifen in Niger zur Wiedereinsetzung von Präsident Bazoum an, dazu kam es jedoch nicht.

Die nigrische Militärjunta ihrerseits wandte sich scharf von Frankreich ab, forderte den Abzug der französischen Truppen aus dem Land, der nunmehr am Freitag dieser Woche abgeschlossen sein soll, und näherte sich wie zuvor die ebenfalls von Militärjuntas regierten Nachbarländer Mali und Burkina Faso Russland an.

Am 4. Dezember kündigte die Junta in Niamey die beiden militärischen Ausbildungs- und Unterstützungs­missionen mit der EU auf, gleichzeitig besuchte eine russische Delegation Niger.

Am 4. Dezember kündigte die Junta Nigers die beiden militärischen Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen mit der Europäischen Union auf, gleichzeitig besuchte eine russische Delegation unter der Leitung des stellvertretenden Verteidigungsministers Junus-bek Jewkurow das Land. Die Haltung der USA weicht von der der EU ab; am Donnerstag voriger Woche erklärte die Leiterin der Abteilung für afrikanische Angelegenheiten des US-Außenministeriums, Molly Phee, bei einem Besuch in der nigrischen Hauptstadt Niamey, die USA seien zu einer Wiederaufnahme der Kooperation bereit, falls die Militärregierung in eine »kurze« Übergangsfrist einwillige und dazu bereit sei, danach die Macht an zivile Politiker abzugeben.

Weitgehend zerfallen ist unterdessen die noch im August demonstrierte, mehr oder minder einheitliche Position des Wirtschaftsblocks Ecowas. Vor allem Togos Präsident Faure Gnassingbé zählt zu den Fürsprechern eines Dialogs mit den neuen Machthabern in Niamey. Die Präsidentenfamilie in Togo ist seit 1963 an der Macht – den Vater, Gnassingbé Eyadéma, löste nach dessen Tod 2005 der noch immer regierende Sohn Faure ab –, das Land gilt bislang als Hort der Stabilität für französische Interessen in Afrika. Um sich abzusichern und die Bündnispartner zu diversifizieren, öffnen sich die Regime Togos und anderer vergleichbarer Staaten auch einer Kooperation mit Russlands Machthabern. Zugleich ist Gnassingbé um den Erhalt regionalwirtschaftlicher Bindungen bemüht; der Tiefseehafen von Lomé zählt zu den wichtigsten Handelsstädten der Region. Nigers Militärpräsident Tchiani besuchte die togolesische Hauptstadt am Freitag voriger Woche, 48 Stunden vor dem Regionalgipfel, und traf mit Präsident Gnassingbé zusammen.

Togos Nachbar Bénin hält zwar seinerseits die Blockade der Handelsverbindungen mit Niger über den Seehafen von Cotonou aufrecht, und sein Präsident Patrice Talon zählt, an seiner Rhetorik gemessen, zu den Hardlinern. Am 1. November wurde jedoch eine neue, 2.000 Kilometer lange Pipeline zwischen dem Niger und Sèmè in Bénin eingeweiht, durch die nun das seit wenigen Jahren in Niger geförderte Öl transportiert wird.

Der Präsident der Regionalmacht Nigeria, Bola Tinubu, schloss sich vor kurzem jenen an, die eine graduelle Wiederannäherung an Niger befürworten. Die Ecowas verabschiedete auf ihrem Gipfel einen Beschluss zur schrittweisen Aufhebung der Sanktionen unter der Bedingung, dass ein Zeitplan für einen Übergang der Macht an eine Zivilregierung in Niger ausgearbeitet wird. Vor allem Senegal und Côte d’Ivoire opponieren jedoch dagegen, die Entscheidung fiel denn auch nicht einstimmig.

Auch in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), einem früher ebenfalls von Frankreich kolonisierten Land, verändern sich die außenpolitischen Verhältnisse. Hier geht die Entwicklung eher zu Lasten des russischen Einflusses, der ab 2016/2017 nach der Distanzierung der ZAR von Frankreich stetig zu wachsen schien. Russland bildete den harten Kern des Sicherheitsapparats aus, Söldner der russischen Gruppe Wagner machten sich in dessen Reihen breit und stellten die Leibwache des Präsidenten Faustin-Archange Touadéra.

Doch nun scheint eine andere Großmacht in Gestalt der USA bei der Regierung der ZAR anzuklopfen. Am Montag berichtete Radio France International (RFI), Mitarbeiter der privaten US-amerikanischen Militärfirma Bancroft hielten sich derzeit in Bangui, der Hauptstadt der ZAR, auf und seien dabei, nach einem geeigneten Terrain für eine künftige Basis zu suchen. Zu ihren Missionen zähle die Überwachung von Bergbaustandorten, aber auch die Ausbildung von Personal für Luxusjagdgesellschaften. Die USA hätten sich dazu entschieden, »Wagner auf dessen eigenem Gebiet Konkurrenz« zu machen.

Vor einem Jahr, so RFI, sei am Rande des damaligen USA-Afrika-Gipfels eine Mission der Defense Threat Reduction Agency (DTRA), einer Abteilung des Pentagon mit speziellen Aufgaben – dazu zählt die Suche nach Massenvernichtungswaffen, aber auch Grenzschutz –, in Bangui vereinbart worden. Diese offizielle Mission habe bislang nicht stattgefunden, doch eventuell verlege sich die US-Regierung wie zuvor die russische darauf, sich zunächst durch private Militärfirmen vertreten zu ­lassen.