In Berlin gingen auch Familien mit Kindern und Vermummte gegen Israel auf die Straße

Berlin bleibt bunt

Am Samstag demonstrierte eine wild gemischte Menge in Berlin gegen die vermeintliche Unterdrückung palästinensischer Meinungen. Kritik an der Hamas war nicht erwünscht.
Raucherecke Von

Familien mit Kindern, Friedensaktivisten, Queers und auch einige Vermummte ergaben am Samstagnachmittag ein diverses Bild. Rund 8.500 Personen trafen sich in Berlin-Mitte, um gemeinsam ihren Hass auf den jüdischen Staat auf die Straße zu tragen. Mobilisiert wurde bundesweit – auch von linken Gruppen wie beispielsweise »Hände weg vom Wedding«, die sich sonst laut Eigendarstellung »gegen den Ausverkauf des Wedding« organisiert.

Am Treffpunkt in unmittelbarer Nähe zum Roten Rathaus kon­trollierten die Einsatzkräfte der Berliner Polizei mitgebrachte Schilder und Transparente auf verbotene Inhalte. Einsatzleiter Stephan Katte hatte vor der Demonstration betont, wer das Existenzrecht Israels verneine, begehe eine Straftat, wiederholte Straftaten könnten zur Auflösung der Versammlung führen. Mehrere Banner wurden beschlagnahmt, darunter auch eines, auf dem für Samidoun geworben wurde; das vorgebliche »Solidaritätsnetzwerk« war am 2. November vom Innenministerium wegen israel- und judenfeindlicher Propaganda sowie Glorifizierung von Terrororganisationen verboten worden.

Diese Vorkontrollen der Sicherheitskräfte sorgten unter den mehrheitlich migrantischen Teilnehmern für großen Unmut. Die Begutachtung der Transparente und Schilder wurde begleitet von unendlichen Diskussionen, wobei vor allem Fragen der Übersetzungen äußerst strittig waren. Zuvor hatten außerdem allerhand Gerüchte kursiert, dass das bei Freunden der palästinensischen Sache äußerst beliebte Kleidungsstück Kufiya für diese Kundgebung von der Berliner Polizei verboten worden sei. Dem war nicht so. Das Gerücht passt indes in das Klagen, »propalästinensische Stimmen« würden unterdrückt.

Auch linke Aktivisten unter dem Slogan »Queers for Palestine« fanden sich am Auftaktplatz am Neptunbrunnen nahe des Alexanderplatzes ein, wenn auch mit sicherem Abstand zu den Grüppchen von Jungmännern mit islamistischem Hintergrund.

Die unübersichtliche Situation auf dem Alexanderplatz führte darüber hinaus zu skurrilen Szenen. Einige Demonstranten verirrten sich auf die gleichzeitig stattfindende Kundgebung des sogenannten »Bündnis für Frieden«, das sich aus dem Umfeld der »Freedom Parade« sowie der Berliner Sektion der Kleinstpartei Die Basis speist.

Ein großer inhaltlicher Unterschied zwischen den beiden Veranstaltungen war schwer zu erkennen. Bei den Verschwörungstheoretikern spielte zwar der russische Angriffskrieg in der Ukraine eine weitaus größere Rolle, dennoch fand man in den klar umrissenen Feindbildern zusammen. Antiamerikanismus und Antizionismus waren bei beiden die Triebfedern des Engagements. Als Redner traten bei den Palästina-Freunden unter anderem Ghassan Abusamra, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde Berlin, und ein Vertreter der »Jüdischen Stimme« auf, die die BDS-Bewegung unterstützt. Auch linke Aktivisten unter dem Slogan »Queers for Palestine« fanden sich am Auftaktplatz am Neptunbrunnen nahe des Alexanderplatzes ein, wenn auch mit sicherem Abstand zu den Grüppchen von Jungmännern mit islamistischem Hintergrund.

Teilnehmer der Demonstration trugen unter anderem Schilder auf denen die »Ausrottung« der Bevölkerung des Gaza-Streifens angeprangert oder von einem bevorstehenden beziehungsweise längst stattfindenden »Genozid« gesprochen wurde. Auch volksverhetzende Inhalte wurden präsentiert: Ein Teilnehmer hatte ein Pappschild mit der Aufschrift »Stop the Palestinian Holocaust« mitgebracht.

Eine Person, die sich mit dem Schild »Protect Civilians – Free Gaza from Hamas« zwischen die Veranstaltungsteilnehmer wagte, wurde von Ordnern angegangen und umgehend aus der Demonstration entfernt.

Ordner der Versammlung behinderten wiederholt die Pressearbeit. Aber auch jene Linken, die sich nicht vor den Karren der Hamas-Propaganda spannen ließen, ernteten Wut, wie die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD). Diese hatte am Rande des Trubels eine kleine Kundgebung abgehalten, auf der man sich gegen »Israels Krieg gegen Gaza« aussprach, aber gleichzeitig ein Redner das Existenzrecht Israels anerkannte, zumindest in den Grenzen des UN-Teilungsplans von 1947, und die Hamas als »faschistisch« brandmarkte.

Als der Demonstrationszug an der Kundgebung der MLPD vorbeizog, quittierten die zahlreich an der Demonstration teilnehmenden Trotzkisten und Islamisten gemeinsam ihre Ablehnung dieser Position. Eine Person, die sich mit dem Schild »Protect Civilians – Free Gaza from Hamas« zwischen die Veranstaltungsteilnehmer wagte, wurde von Ordnern angegangen und umgehend aus der Demonstration entfernt.

Am darauffolgenden Tag sprach die Berliner Polizei von 68 Festnahmen und 36 Ermittlungsverfahren, davon 16 wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Insgesamt sei der Aufzug »mehrheitlich friedlich« verlaufen, sagte die Polizeisprecherin Anja Dierschke dem öffentlich-rechtlichen Regionalsender RBB.