Burkina Fasos Junta hat ein AKW in Russland bestellt, Malis Junta möchte Ähnliches

Große Pläne für Atomkraft

Die Militärjunta in Burkina Faso hat mit Russland die Errichtung eines Atomkraftwerks vereinbart, das Regime in Mali strebt Ähnliches an.

Bezweckten die verschiedenen Militärputsche in den Staaten der Sahelzone seit 2020 – zuletzt im Niger Ende Juli dieses Jahres – unter anderem, einen internationalen Ausstieg aus der Atomenergie zu befördern? Dies suggerierte ein im August in der Online-Zeitschrift Telepolis publizierter Artikel des früheren Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell (Grüne). Er fragte sich, ob »Uran-Abbau und Umweltzerstörung als tiefere Gründe« des kurz zuvor erfolgten Machtwechsels in der Republik Niger gelten könnten. Regionale linke Medien in Deutschland übernahmen den Text.

Dass die Militärjuntas in Burkina Faso, Mali und Niger sich zwar über zu niedrige Anteile ihrer Länder am Gewinn aus der Uranförderung beschweren, sich aber keineswegs in einer Kritik der Atomenergienutzung üben, lag im Hochsommer schon auf der Hand. Nun jedoch kündigten die Regierungen in zwei der drei genannten Staaten, die sich am 16. September zum militär­politischen Bündnis Alliance des Etats du Sahel (AES, Allianz der Staaten des Sahel) zusammengeschlossen hatten, zum Ende vorvergangener Woche an, Atomkraftwerke (AKW) zu errichten. Es handelt sich um Burkina Faso und Mali. Das dritte Mitgliedsland der AES, die Republik Niger, die zu den fünf weltweit größten Uranförderländern zählt, soll offenkundig den Brennstoff für die geplanten AKW liefern.

Für den erforderlichen Technologietransfer soll Russland sorgen, zu dem die Juntas enge Kontakte pflegen. Schon im Juli hatte Ibrahim Traoré, der erst 35jährige Übergangspräsident Burkina Fasos, der zuvor den Rang eines Hauptmanns bekleidet hatte, am Rande des Russland-Afrika-Gipfels in Sankt Petersburg bei der Regierung der Russischen Föderation offiziell um Hilfe beim Aufbau eines AKW ersucht. Bestätigt wurden diese Pläne am 13. Oktober durch die Unterzeichnung eines memorandum of understanding beim sechsten Forum der »Russischen Energiewoche« in Moskau.

Dem Betrieb von AKW stehen bedeutende Schwierigkeiten entgegen, und das betrifft keineswegs nur die Endlagerung radioaktiver Abfälle.

Die Vereinbarung mit Burkina Faso beinhaltet die Errichtung eines Atomreaktors dort. Am selben Tag wurde ein weiteres Memorandum zwischen Russland und Mali »zur zivilen Nutzung der Atomenergie« unterzeichnet, das im Vergleich vager ausfällt. Die Regierung Malis strebt nach eigenen Angaben die Errichtung von zwei bis vier Atomreaktoren an. Westafrikanische Online-Medien sprechen derzeit von »55-Megawatt-Reaktoren«, womit es sich um kleine Einheiten handeln würde – die derzeit laufenden 56 Reaktoren in Frankreich weisen eine Leistung zwischen 900 und 1.450 Megawatt auf.

Diese Ankündigungen stießen bei Teilen der Bevölkerung Burkina Fasos zunächst eher auf Zustimmung, ist doch die Stromversorgung im Land mehr als lückenhaft. Zum Jahresende 2020 verfügten in Burkina Faso der ­Afrikanischen Entwicklungsbank zufolge nur 22,5 Prozent der Bevölkerung über eine Stromversorgung: durchschnittlich 67,4 Prozent in städtischen Räumen, doch lediglich 5,3 Prozent ­unter der Landbevölkerung.

Doch dem Betrieb von AKW stehen bedeutende Schwierigkeiten entgegen, und das betrifft keineswegs nur die Endlagerung radioaktiver Abfälle, wo­ran beispielsweise die vom malischen Gesundheitsministerium und der staatlichen Presseagentur herausgegebene Zeitschrift Malikilé vom 23. Oktober ausdrücklich erinnert.

Bei einer Debatte der französischen entwicklungspolitischen NGO Survie (Überleben) zum Thema äußerte ein Diskutant am 18. Oktober noch grundlegendere Probleme: »Eine Atomanlage benötigt ein dichtes industrielles Geflecht, hochqualifizierte Arbeitskräfte, bedeutende finanzielle Aufwendungen und eine stabile politische Situation. Burkina Faso ist ein sehr armes Land, das derzeit mit Mühe und Not die Hälfte seines Territoriums kontrolliert.« In der anderen Hälfte, im Norden und Osten des Staatsgebiets, finden heftige Kämpfe zwischen Ordnungskräften und Jihadisten sowie marodierenden Banden statt; beide zusammen pressen die Landbevölkerung aus.

Viele Kommentatoren sprechen von einer Ankündigung, die zunächst mehr mit Propaganda als mit einer technischen Realisierung von AKW zu tun habe

Auch da, wo noch staatliche Kontrolle besteht, herrscht politische Instabilität. Die Gewerkschaftsvereinigung CGT-B, die de facto von der ehemals maoistischen Revolutionären Kommunistischen Partei von Obervolta (PCRV; Obervolta war bis 1984 der gebräuchliche Landesnamen) kontrolliert wird, mobilisiert derzeit erstmals gegen die Militärregierung, die sie nun als »faschistisch« ansieht; eine unsinnige Bezeichnung, die jedoch ihre scharfe Opposition markieren soll. Die Regierung selbst mobilisiert ihre Anhänger auf die Straße und verlautbart, jüngst einen Putschversuch abgewehrt zu haben, der eine Wiederannäherung an Frankreich habe erzwingen sollen.

Viele Kommentatoren sprechen aus diesen Gründen von einer Ankündigung, die zunächst mehr mit Propaganda als mit einer technischen Realisierung von AKW zu tun habe. Die meisten Experten halten ohnehin Sonnenenergie für eine geeignetere Lösung für die Energieprobleme der betreffenden Länder. Regierungsanhänger in Burkina Faso sagen dazu, dass auch die Lieferung von Photovoltaikanlagen aus Russland vereinbart sei.

Derzeit ist auf dem afrikanischen Kontinent nur ein Atomkraftwerk in Betrieb, und zwar in Koeberg in der ­Republik Südafrika; es wurde mit französischer Hilfe errichtet. Marokko und Uganda gaben in diesem Jahr Pläne zur Errichtung von Atomanlagen bekannt und stützten sich dabei auf Russland im einen, Russland und Südkorea im an­deren Fall.

Die Republik Mali verfolgte bereits in der Ära des sozialistischen Präsidenten Modibo Keïta (1960 bis 1968) entsprechende Pläne, damals gestützt auf die UdSSR. Aus ihnen wurde jedoch nichts.