Wladimir Putins Politik gegenüber der Hamas und Israel

Putin als Friedensbringer

Auf einem Treffen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten im kirgisischen Bischkek warnte der russische Präsident Wladimir Putin Israel vor eine Bodenoffensive im Gaza-Streifen und bot sich als Vermittler an.

Wenn sich Russlands politisches Führungspersonal um diplomatische Töne bemüht, möchte man den Fernseher am liebsten sofort wieder ausschalten. Die einstündige Hauptnachrichtensendung um neun Uhr abends auf dem Ersten Kanal lässt bei solchen Anlässen die immergleichen altgedienten Kader ausgiebig zu Wort kommen. So gab Walentina Matwijenko, die Vorsitzende des russischen Föderationsrats, als Delegierte auf dem Treffen der Parlamentssprecher der G20-Staaten am Wochenende in Indien in gewohnt professioneller Manier die offizielle Lesart des Kreml zum Besten, wonach Russland in der Ukraine mit seiner »militärischen Spezialoperation« lediglich einen Krieg beende.

Im vorangegangenen Beitrag der Sendung hatte sich das Fernsehpublikum von Russlands friedliebender Mission im Nahen Osten überzeugen dürfen. Auf dem Treffen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten im kirgisischen Bischkek räumte der russische Präsident Wladimir Putin am Freitag vergangener Woche Israel ein Recht auf Verteidigung ein, machte jedoch die USA für die Misere in der Region verantwortlich und bot sich gleichzeitig als Vermittler an, um perspektivisch die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staats mit Ost-Jerusalem als dessen Hauptstadt durchzusetzen. Doch die Bewerbung für solch hochtrabende diplomatische Missionen stößt natürlich spätestens seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine auf taube Ohren.

Dem »Wall Street Journal« zufolge wurden über die russische Kyptowährungsbörse Garantex jüngst über 90 Millionen US-Dollar an den in Gaza operierenden Islamischen Jihad weitergeleitet.

Viele Experten in westlichen Ländern sind sich darüber einig, dass Russland von dem jüngsten Angriff der Hamas auf Israel und der darauf folgenden weiteren Eskalation profitiere. Das stimmt insofern, als die internationalen Aufmerksamkeit für den Ukraine-Krieg deutlich nachgelassen hat. Perspektivisch könnte auch die Frage von Waffenlieferungen für die Ukraine bei deren Bündnispartnern anders gewertet werden, wenn ein größer Konflikt im Nahen Osten Kräfte bindet. Dass die Moskauer Führung Kontakte zur Hamas unterhält, die in Russland, anders als die afghanischen Taliban, nicht als terroristische Vereinigung verboten ist, ist kein Geheimnis. Hinweise, wonach Russland die Hamas zu dem Angriff angestiftet oder sie dabei gar unterstützt habe, liegen indes nicht vor.

Ebenso wenig gibt es seitens Russlands konkrete Bemühungen, in der derzeitigen Situation auf die Hamas-Führung Einfluss zu nehmen. Ruslan Sulejmanow, Experte für die Region und bis zu seiner Kündigung aus Protest gegen den Angriff Russlands auf die ­Ukraine als Journalist für die Nachrichtenagentur Tass tätig, hält es im Übrigen für unwahrscheinlich, dass die russische Regierung derzeit über relevante Mittel verfügt, auf die Hamas einzuwirken.

Das US-amerikanische Wall Street Journal wies indes kürzlich darauf hin, dass über die russische Kyptowährungsbörse Garantex in den vergangenen Monaten über 90 Millionen US-Dollar an den in Gaza operierenden Palästinensischen Islamischen Jihad weitergeleitet wurden. Nach Angaben des von dem ehemaligen Oligarchen Michail Chodorkowskij finanzierten Investi­gativportals Dossier Center kontrolliert der russische Inlandsgeheimdienst FSB Garantex.

Wenig erfreut dürfte Russlands Führung über die wachsende Präsenz von US-Streitkräften in der Region sein, ist man doch bestrebt, die USA möglichst aus dem Nahen Osten zu verdrängen. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump zeichnete sich ein solcher Rückzug ab, aber längst stocken die USA ihre Truppen auch in Syrien wieder auf. Das bindet dort wiederum Kräfte der russischen Armee. Russland intensivierte seine Luftangriffe in Syrien, immer wieder kommt es auch zu kleineren Zwischenfällen, wobei die US-amerikanischen Streitkräfte Russland vorwerfen, mit seinen Flugzeug­einsätzen Beihilfe für den iranischen Raketenbeschuss von US-Basen in Syrien zu leisten. Zudem verläuft die Neu­organisierung der Söldnergruppe Wagner in Syrien nicht reibungslos, was Russland dort zusätzlich schwächt.

Nicht nur in Syrien, sondern auch in der Ukraine, wo russisches Militär aus dem Iran gelieferte Kampfdrohnen einsetzt, gibt es Anzeichen für eine Kooperation beider Staaten. Doch auch wenn die Interessen Russlands und des Iran teilweise übereinstimmen, identisch sind sie nicht. Zwar ist das einst recht enge Verhältnis der Moskauer Führung zu Israel inzwischen merklich abgekühlt, eine einseitige Haltung gegen Israel lässt sich aber nicht feststellen, selbst wenn die Hamas am Wochenende Putin explizit für seine Unterstützung dankte und »Russlands Bemühungen, der zionistischen Aggression ein Ende zu setzen«, begrüßte. Und während Russland ein Auge zudrückt, wenn Israel in Syrien iranische Stellungen bombardiert, verweigerte die israelische Führung der Ukraine dringend benötigte Militärhilfe. Russlands Ukraine-Krieg bestimmt somit auch die Handlungsspielräume in anderen Regionen.

Nicht zuletzt macht sich bei den israelisch-russischen Beziehungen der Umstand bemerkbar, dass der überwiegende Teil der nach Israel emigrierten russischen Staatsangehörigen seine Pässe behält und damit über die doppelte Staatsbürgerschaft verfügt. Dazu zählen auch dem Kreml nahestehende Superreiche wie Roman Abramowitsch. Auf Social-Media-Plattformen spielen russischsprachige Stimmen aus Israel bei Diskussionen über die Situation nach dem Angriff der Hamas eine nicht unwichtige Rolle. Vor dem Gebäude des Jüdischen Museums in Moskau fand am Wochenende eine Kundgebung zur Solidarität mit Israel statt. In einem Gebet wurde dort der Opfer des Terrors in Israel gedacht.

Ansonsten fällt der nach Europa geflüchtete Teil russischer Emigrantinnen und Emigranten eher durch pro­israelische Positionen auf, im Unterschied zum nun in Dubai ansässigen. Und bei nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs aus Russland emigrierten Linken zeigt sich, dass sie im Exil weitaus differenzierter argumentieren, als dies früher der Fall war, wo die russische Linke im Regelfall durch unkri­tische Palästina-Solidarität glänzte.