Die Angestellten des Hamburger Tierparks Hagenbeck streiken für einen Tarifvertrag

Tierisch viel Ärger in Hamburg

Zum ersten Mal in seiner mehr als 100jährigen Geschichte wird der Hamburger Tierpark Hagenbeck bestreikt. Die Geschäftsführung droht mit juristischen Schritten.

»Die Streiktage reduzieren anteilig die freiwilligen Urlaubstage«, steht auf einem an die »Lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter« adressierten internen Aushang im Hamburger Tierpark Hagenbeck von Mitte August. Unterzeichnet hat diesen »Ihr Dirk Al­brecht«, Geschäftsführer des Tierparks. Mit dem Aushang reagierte die Geschäftsführung auf das Ergebnis der gewerkschaftlichen Urabstimmung über einen unbefristeten Streik – ohne Erfolg. Seit dem 28. August sind die Angestellten im unbefristeten Streik, zum ersten Mal in der mehr als 100jährigen Geschichte des Tierparks. Ziel des Streiks sind Verhandlungen über einen Tarifvertrag. Der Tierpark ist der einzige private Großzoo Deutschlands und unterliegt keinem Flächentarifvertrag.

Was im Aushang als »einige Informationen« deklariert wird, seien tatsächlich Kampfansagen, sagte Pascal Lechner, der für Hagenbeck zuständige Gewerkschaftssekretär der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) der Jungle World. »Zudem wird immer wieder gedroht, mit juristischen Mitteln auf die IG Bau einwirken zu wollen, beispielsweise mit der Androhung, strafrechtlich gegen den Streik vorzugehen.«

Bereits im April 2022 forderte die IG Bau die Geschäftsführung zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Tarifvertrag auf, in dem nicht nur die Lohnzuschläge verbindlich festgeschrieben, sondern auch Urlaubsansprüche und Weihnachtsgeld geregelt werden sollen. Aber auch nach drei Warnstreiks im August 2022, am Karfreitag und am 1. Mai diesen Jahres zeigte die Geschäftsführung keine Verhandlungsbereitschaft. Diese unnachgiebige Haltung habe schließlich dazu geführt, dass immer mehr Beschäftigte des Tierparks in die Gewerkschaft eingetreten seien, sagte Lechner. Mittlerweile seien über zwei Drittel der knapp 140 Angestellten Gewerkschaftsmitglieder. »Nun gibt es leider keine andere Möglichkeit mehr als den unbefristeten Streik«, so Lechner.

»Indirekt wurde immer wieder versucht, ein Klima der Angst zu schaffen.« Pascal Lechner, Gewerkschaftssekretär der IG Bau

Albrecht versprach den Beschäftigten des Tierparks gar eine »Nicht-Streik-Prämie«. Allen, die trotz Streiks zur Arbeit kämen, bot er einmalig 150 Euro brutto an. Trotz aller Versuche entschieden sich 86 Prozent bei der Urabstimmung für den unbefristeten Streik. Als das Ergebnis am 23. August bekanntgegeben wurde, reagierte Hagenbecks Geschäftsführer prompt mit einem offenen Brief an die IG Bau, der der Jungle World vorliegt.

Darin heißt es, die Tierpflege bei Hagenbeck dürfe zum Schutz der Tiere nicht bestreikt werden. Beigelegt ist ­diesem ein Schreiben des Hamburger Veterinäramts. Dieses warnte vor Ordnungswidrigkeiten und Straftatbeständen, werde eine durchgehende Betreuung der Tiere nicht wie im Regelbetrieb gewährleistet. Der Geschäftsführer betonte, der Streik solle nicht auf den Bereich der Tierpflege ausgeweitet werden. Es gebe »genug andere Bereiche«, die bestreikt werden könnten. Bei Zuwiderhandlung droht die Geschäftsführung, »unverzüglich eine einstweilige Verfügung gegen die IG Bau« zu beantragen. Kein Halbsatz wird auf das grundgesetzlich garantierte Streikrecht für lohnabhängige Menschen verschwendet.

Für Lechner sind die Argumente unhaltbar. Wenn der Tierpark etwa an Weihnachten geschlossen ist, seien ab elf Uhr auch keine Tierpfleger:innen vor Ort. Und generell sei vom Feierabend bis frühmorgens bis auf eine Nachtwache kein Personal im Tierpark. Außerdem gibt es laut Gewerkschaft einen Notfallplan, um die Tiere auch während der Streiks versorgen zu können.

Jeden Tag wird erneut entschieden, ob am darauffolgenden gestreikt oder gearbeitet wird. Damit wird das Management im Unklaren gelassen. Ein Nachteil hierbei allerdings: Vorgesetzte können die Streikwilligen bei der Arbeit überwachen und unter Druck setzen, berichtete Lechner. Es sei bereits versucht worden, aus dem Tierpark her­aus die Streikposten vor dem Haupttor zu filmen. »Indirekt wurde immer wieder versucht, ein Klima der Angst zu schaffen«, so Lechner. »Beispielsweise werden Beschäftigte, die unbequeme Fragen stellen, zu Vieraugengesprächen mit Dr. Albrecht geladen«.

»Die letzten Monate haben gezeigt, wie verbohrt die Geschäftsführung agiert, wenn es um die Mitspracherechte der Kolleg:innen geht«, betonte Tanja Chawla, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Hamburg, im Gespräch mit der Jungle World, nachdem sie am ersten Streiktag die Streikposten vor dem Haupteingang des Tierparks besucht hatte. Nicht nur der DGB, sondern auch Betriebs- und Personalräte anderer städtischer Großzoos zeigen sich solidarisch mit den Streikenden in Hamburg. Auch die Hamburger Regierungsparteien SPD und Grüne unterstützen die Forderungen nach Verhandlungen; ebenso die Hamburger Linkspartei.