Der Zoff um den muslimischen Rapper Médine in Frankreich

»Médine, Hugo, Brassens«

Der stockreaktionäre Rapper Médine trat auf den Sommer­universitäten der französischen Grünen und von La France insoumise auf. Um ihn vor Kritik zu schützen, versteigen sich linke Politiker zu bizarren Vergleichen.
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»Nicht nur bin ich kein Antisemit, vielmehr kämpfe ich seit fast 20 Jahren an Ort und Stelle gegen den Antisemitismus«, sagte der muslimische Rapper Médine vorige Woche in einer Debatte mit Mathilde Panot, der Fraktionsvorsitzenden der linkspopulistischen Partei La France insoumise (LFI, Das unbeugsame Frankreich) in der Nationalversammlung.

Médine bezeichnet seine Musik als »bewussten Rap«, er war im August bei den Sommeruniversitäten der französischen Grünen und von LFI aufgetreten; Kritik von Einzelpersonen aus den beiden Parteien hatte das nicht verhindern können. Kurz zuvor hatte Médine einen Tweet über die Essayistin Rachel Khan abgesetzt, in der er sie als »resKHANpée« bezeichnet – eine Anspielung auf die Deportation von Khans jüdischen Großeltern während des Zweiten Weltkriegs ins KZ; rescapés sind Über­lebende der Shoah.

»In der erbärmlichen Praxis von Wortspielen, die auf einem ­Namen basieren und sich auf die Erinnerung an den Holocaust beziehen«, sah sich der Historiker Sébastien Ledoux in Le Monde an Jean-Marie Le Pen, den früheren Vorsitzenden des rechtsextremen Front National, erinnert; der hatte 1988 in Hinblick auf den dama­ligen Minister für den öffentlichen Dienst und Verwaltungsreformen, Michel Durafour, von »Durafour-Krematorium« rhabarbert (four crématoire heißt Verbrennungsofen). Genau in dieser ideologischen Tradition stehe der Tweet von Médine, der sich recht­fertige, indem er auf Unbeholfenheit plädierte.

Ebenso »unbeholfen« sah Médines angeblicher Kampf seit fast 20 Jahren gegen Antisemitismus aus. Jahrelang hatte er den mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen verurteilten Komiker Dieudonné M’bala unterstützt, dessen drittes Kind Jean-Marie Le Pen zum Taufpaten bekam; es existieren Fotos, auf denen Médine Dieudonnés quenelle vorführt, den Knödelgruß, eine Art tiefergelegter Hitlergruß; in Dieudonnés Théâtre de la Main d’Or, wo ­dieser dem Holocaustleugner Robert Faurisson Ende 2008 einen Preis verliehen hatte, trat Médine 2014 zusammen mit Kémi Séba auf, dem Anführer einer 2006 verbotenen rassistischen und antisemitischen Sekte von Schwarzen namens Tribu Ka.

Der Regressiv-Rapper Médine, Victor Hugo, der große französische Autor aus dem 19. Jahrhundert, der individualanarchistische Chansonnier Georges Brassens – angeblich alles das Gleiche.

Nicht allein dadurch hatte sich Médine als stockreaktionärer Regressiv-Rapper geoutet. »Kreuzigen wir die laicards (abwertend für Laizisten) wie auf Golgatha«, reimte er in seinem Song »Don’t Laik«. Der wurde Anfang 2015 veröffentlicht, eine Woche bevor die Kouachi-Brüder das Massaker in der Redaktion der laizistischen Satirezeitung Charlie Hebdo anrichteten. In »Don’t Laik« hieß es zudem: »Am Scheideweg zwischen dem Verbrecher und dem Pre­diger / Wenn ich dich in meinen Träumen erschieße, bitte ich dich beim Aufwachen um Vergebung / indem ich mich immer auf den Heiligen Koran beziehe.«

Tolle Texte, zweifellos. Mathilde Panot gaben sie Anlass für einen bizarren Tweet: »Brassens, Hugo, Médine. Die Poesie ist immer eine Verpflichtung. Faszinierendes Interview mit @MedinRecords. Konvergenz der Kämpfe, gegen die Konvergenz des Hasses. Niemals aufgeben!« Na klar, der Regressiv-Rapper Médine, Victor Hugo, der große französische Autor aus dem 19. Jahrhundert, der individualanarchistische Chansonnier Georges Brassens – alles das Gleiche.

Jean-Luc Mélenchon, der Anführer von LFI und deren Präsidentschaftskandidat im vergangenen Jahr, fühlte sich offenbar gebauchpinselt davon, dass Médine nach eigenen Angaben bei der Präsidentschaftswahl für ihn gestimmt hatte. In Tweets, Reden und Interviews unterstützte er den Rapper: Médine sei kein Rassist, vielmehr das Opfer von Rassismus und Islamophobie, denn er gelte als Muslim von vorneherein als schuldig, habe weder einen rassistischen und noch einen antisemitischen Charakter. Und verglich ihn ebenfalls mit Brassens.

Mitte September steht ein Konzert Médines auf dem Pressefest der französischen Tageszeitung L’Humanité, des ehemaligen Zentralorgans der Kommunistischen Partei, an. In der Zeitung ist die Polemik um Médine auch schon angekommen. Wir heulen nicht mit den rechten Wölfen, die auf Médine rumhacken, hieß es bislang. Médine habe zweifelhaftes Zeug erzählt, aber sich auch immer entschuldigt und sei lernfähig. Sein Auftritt finde statt.