Claudia Roths Phrasen gegen den Antisemitismus

Um den heißen Brei

Erstmals fördert der Bund in diesem Jahr das Jüdische Film­festival Berlin-Brandenburg. Die Schirmherrin ist Claudia Roth, die Staatsministerin für Kultur und Medien. In einer Mitteilung dazu betont die Grünen-Politikerin den Kampf gegen Antisemitismus. Besonders aussagekräftig ist diese jedoch nicht.
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Das sind sie wieder, die Buzzwords von den »jüdischen Lebenswelten in all ihrer Vielfalt« und dem »klaren Zeichen gegen Antisemitismus«. Es fehlen nur noch »Juden in Deutschland sind ein Geschenk« und die »bunte Demokratie«, und das kleine Einmaleins der Phrasen wäre komplett gewesen. Kulturstaatsministerin ­Claudia Roth (Grüne) beherrscht dieses im Schlaf. Ihre Mitteilung darüber, warum sie so gerne die Schirmherrin des Jüdischen Filmfestivals Berlin-Brandenburg sei, hat das mal wieder unter Beweis gestellt. Das Festival soll drei Tage bis zum 16. Juni dauern, Roth tritt erstmals als Schirmherrin an. Aber keine Sorge, irgendwann wird die Staatsministerin für Kultur und Medien nachliefern.

Was Roth aber bislang nicht nachgeliefert hat, sind Erklärungen, weshalb sie als Staatsministerin in der Vergangenheit ein so kläg­liches Bild abgegeben hat, wenn wirklich einmal konkretes Handeln gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit im Kulturbetrieb gefordert war. Ihr Lavieren und Beschwichtigen im Fall der Documenta 15 im vergangenen Jahr sollte eigentlich ein Skandal im Skandal sein.

»Es hätte nicht passieren dürfen.« Mit diesen Worten hatte Roth selbst den Sachverhalt in dem Grußwort an eine Tagung des anti­semitismuskritischen Tikvah-Instituts auf den Punkt gebracht, die im Dezember unter dem Arbeitstitel »Kunstfreiheit als Ausrede? – Salonfähiger Antisemitismus und Documenta 15« die Geschehnisse rund um die gleich in Serie ausgestellten antisemitischen sowie Terror verherrlichenden Artefakte in Kassel noch einmal intensiv beleuchtete.

Warum passieren konnte, was nicht hätte passieren dürfen, konnte die Staatsministerin erneut nicht beantworten.

Doch warum passieren konnte, was nicht hätte passieren dürfen, konnte die Staatsministerin erneut nicht beantworten. Und von persönlicher Verantwortung wollte sie gar nicht erst sprechen. Stattdessen redete sie um den heißen Brei herum und überraschte die Tagungsteilnehmer mit einem längeren Exkurs über die Ukraine und das von den Deutschen 1941 verübte Massaker in Babyn Jar. Der Zusammenhang zwischen der Kunstshow in Kassel und den Nazi-Verbrechen in Kiew blieb ihr Geheimnis.

Als Roth nun Ende Mai ein weiteres Grußwort beim Jewrovision, einem Musikwettbewerb jüdischer Jugendzentren, in Frankfurt am Main abgab, schlugen ihr Buhrufe und der Unmut jüdischer Teenager entgegen. Nur zu verständlich, denn wieder einmal ­weigerte sich Roth, das anzusprechen, was die Teilnehmer des brennend interessiert hätte, nämlich die Bedeutung der antisemitische ­Israelboykottbewegung BDS, Antisemitismus und Israelfeindlichkeit im Kulturbetrieb sowie ihre eigene Verantwortung als zuständige Staatsministerin. Stattdessen jedoch gab es haufenweise Phrasen darüber, wie »bunt, wie vielfältig« oder »migrantisch, feministisch, people of color oder queer« die jungen Jüdinnen und Juden seien – kein Wunder, dass es Pfiffe und Protestrufe hagelte.

Zur Wiedereröffnung des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin am 2. Juni bezog sie sich dann wenigstens auf einige der Themen, die schon bei der Jewrovision anzusprechen, von ihr erwartet worden war. »Wir fördern keine Veranstaltung, auf denen für den BDS geworben wird oder Ziele des BDS vertreten werden«, sagte sie. In der Kunst sei kein Platz für Antisemitismus. Eine Selbstkritik ihres Versagen bei der Documenta blieb hingegen weiterhin aus.