Die Kontrolle des Präsidenten Erdoğan über den Staatsapparat zeigte deutlich Wirkung

Enttäuschte Hoffnungen

Der Wahlsieg Recep Tayyip Erdoğans zeigte, wie sehr dessen Kontrolle über den Staatsapparat die türkische Opposition geschwächt hat. Die Linke ist weitgehend marginalisiert.

Arsuz und Adana. »Ein Gruselkabinett«, seufzt Ercüment Kimyon vor dem Fernseher. Der 65jährige macht seit 20 Jahren Politik. Bei dieser Wahl kandidierte er für die Grüne Linke Partei (Yeşil Sol Parti, YSP) in der Provinz Hatay an der syrischen Grenze. Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist in den Nachrichten erstmals mit seinem neuen Außenminister Hakan Fidan zu sehen. Gemeinsam steigen sie aus einer Limousine, um an der Beerdigung des am 1. Juni in einem Istanbuler Krankenhaus verstorbenen Journalisten Mehmet Barlas teilzunehmen. Er war einer derjenigen, die im Medienbereich dem gerade für weitere fünf Jahre im Amt bestätigten türkischen Präsidenten ebenso treu ergeben waren wie dem nun ins Kabinett aufgenommenen ehemaligen Geheimdienstchef Fidan.

Im April schrieb Barlas noch über die Niedertracht der Opposition, weil sie Gespräche mit der von einem Verbotsverfahren bedrohten prokurdischen Partei HDP führte und Bündnisse mit ihr bildete. »›Allianz des Terrors‹, das sind so die Terminologien für oppo­sitionelle Politik geworden«, brummt Ercüment Kimyon. Gerade ist in den Nachrichten Erdoğan mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu sehen, bei dem Treffen wird über den Beitritt Schwedens zum Militärbündnis verhandelt.

Der Architekt Kimyon sitzt im Wohnzimmer seines Sommerhauses am Mittelmeer in Arsuz in der Provinz Hatay. Diese Region war besonders stark vom Erdbeben am 6. Februar betroffen – etwa 23 000 der nach offiziellen Angaben mehr als 50 000 Todesopfer in der Türkei waren in Hatay zu verzeichnen –, darunter sechs Verwandte Kimyons. Das linke Bündnis für Arbeit und Freiheit, dem die YSP angehört, habe landesweit keine einzige Kundgebung abhalten dürfen, sagt der Politiker, dem es nicht gelang, als Abgeordneter in die Nationalversammlung einzuziehen.

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