Der Wahlkampf der türkischen AKP in Deutschland

Erdogans Wahlkampfhilfe

Der türkische Wahlkampf findet auch in Deutschland statt. Die hetzerische Rede eines AKP-Politikers in Neuss hat kürzlich für einen Skandal gesorgt. Trotzdem sollen weitere Veranstaltungen zur Unterstützung der AKP stattfinden.

Der Wahlkampf der AKP geht weiter – auch in Deutschland. Am 14. Mai soll in der Türkei sowohl das Parlament als auch der Präsident gewählt werden. Dabei könnte es eng werden für die Partei des Präsidenten Recep Tayyip Erdo­ğan. Ende Januar kam die Koalition aus Erdoğans islamistischer AKP und der rechtsradikalen MHP in Umfragen nur noch auf 35,7 Prozent.

Bei einem knappen Wahlausgang könnten die im Ausland lebenden Türk:innen entscheidend sein. Allein in Deutschland leben rund 1,4 Milli­onen Wahlberechtigte. Die AKP macht auch hierzulande Wahlkampf, sieht sich dabei aber seit einigen Wochen starker Kritik ausgesetzt. Mitte Januar hatte der AKP-Abgeordnete Mustafa Açıkgöz in einer den Grauen Wölfen nahestehenden Moschee in Neuss eine Rede gehalten und darin den Anhänger:innen der kurdischen PKK und der ­islamisch-fundamentalistischen Gülen-Bewegung gedroht. Man werde sie »mit Allahs Erlaubnis« überall auf der Welt »aus den Löchern, in die sie sich verkrochen haben, herausziehen und vernichten«. Das deutsche Außen­ministerium äußerte Kritik und lud den tür­kischen Botschafter vor.

Bei einem knappen Wahlausgang könnten die im Ausland lebenden Türken entscheidend sein. Allein in Deutschland leben 1,4 Millionen Wahlberechtigte.

Ungeachtet dessen will die AKP-Lobbyorganisation UID (Union Internationaler Demokraten) weitere Veranstaltungen abhalten. Sie sollen allerdings als Gedenk- und Kulturveranstaltung bezeichnet werden. Der Frankfurter Rundschau zufolge will am 18. März Ahmet Minder, ein wichtiger Berater Erdoğans, in Bingen am Rhein auftreten. Demnächst sollen zudem der AKP-­nahe Sänger Uğur Işılak und der Influencer Abdurrahman Uzun nach Deutschland eingeladen werden.

Erdoğan selbst hat aber seine offenbar geplante Deutschland-Reise abgesagt. Im Januar war in verschiedenen Medien zu lesen gewesen, dass der türkische Staatspräsident nach Deutschland kommen werde. Er sollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) treffen, der Welt zufolge aber auch eine Wahlkampfveranstaltung abhalten.

Der seit einiger Zeit im Exil lebende türkische Journalist Can Dündar berichtete in der Zeit unter Berufung auf Quellen im Auswärtigen Amt, dass Erdoğan den Staatsbesuch unbedingt vor der Wahl habe vornehmen wollen. Die deutsche Regierung habe diese Forderung nicht zurückweisen wollen, weil die Türkei im Ukraine-Konflikt eine außenpolitisch entscheidende Rolle spielt. Erst als Erdoğans Besuchspläne öffentlich wurden und in Deutschland Kritik laut wurde, schien sich die Haltung der Bundes­regierung zu ändern. Diese habe unter anderem darauf bestanden, bei Erdoğans Besuch auch die Hetzrede in Neuss zu thematisieren – schließlich gab Erdoğan seinen Plan auf.

In der 20jährigen Regierungszeit Erdoğans – als Präsident und Ministerpräsident – hat sich die Situation für oppositionelle Kräfte und Medien in der Türkei deutlich verschlechtert. Derzeit steht die AKP wie nie zuvor unter Druck, vor allem aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Inflation. Dementsprechend kämpft die Partei auch in Deutschland um Stimmen.

Eren Güvercin von der liberal-muslimischen Alhambra-Gesellschaft hat seit September Auftritte türkischer Regierungspolitiker in Deutschland ­dokumentiert. Solche Wahlkampfveranstaltungen hätten in 50 verschiedenen Moscheegemeinden stattgefunden, sagte er der Jungle World. Dabei sei immer wieder »ein Brief Erdoğans für die türkische Diaspora« verteilt worden. Manche dieser Moscheen hätten der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş angehört, andere hätten zu den Verbänden Atib und ADÜTDF gehört, die den Grauen Wölfen nahestehen. Die meisten Auftritte hätten aber in Moscheen der Ditib stattgefunden, des größten deutschen Moscheeverbands.

Die Abhängigkeit der Ditib von der türkischen Regierung ist kein Geheimnis. Ditib ist der deutsche Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die nicht nur viele der Imame der Ditib ausbildet und bezahlt, sondern auch direkt dem türkischen Präsidenten untersteht. Zudem bekleiden Diyanet-Funktionäre nach wie vor bedeutende Positionen in den Vorständen der Ditib. Versuche, sich von dieser Verbindung zu lösen, scheinen weiter unrealistisch. So liegt es auf der Hand, dass die Ditib seit Jahren in bedeutenden Teilen den Kurs der von oder mit der AKP gebildeten türkischen Regierungen mitträgt. Da gibt es Freitagspredigten, in denen für völkerrechtswidrige Invasionen in kurdische Autonomiegebiete gebetet wird, oder Fälle wie den, als mehrere Imame der Ditib 2017 verdächtigt wurden, die Gläubigen ihrer Gemeinde im Auftrag des türkischen Geheimdienstes ausspioniert zu haben. Der Strafverfolgung entzogen sich die Beschuldigten durch Flucht in die Türkei.

Murat Kayman, ein ehemaliger Spitzenfunktionär der Ditib und Gründungsmitglied von Alhambra e. V., kritisierte im Gespräch mit der Jungle World, die Ditib habe sich »dazu entschieden, sich nicht um die Vertretung der Muslime zu kümmern, sondern eine Deutschland-Vertretung der AKP zu sein«.

Ähnlich sieht dies auch Franziska Lucke, die als Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Antifaschismus von »Die Linke« Mitglied im Bundesausschuss ist, dem neben dem Parteivorstand höchsten Gremium der Partei. Sie betont im Gespräch mit der Jungle World zwar die »Bedeutung von Gotteshäusern für die Gläubigen«, doch müssten sich Besucher:innen AKP-naher Moscheen fragen, »ob sie auf Dauer Teil einer Struktur sein wollen, in der offen nationalistische und teils profaschistische Propaganda verbreitet wird«.