Über einen Konflikt zwischen Mietern und Hausbesitzern in Berln-Kreuzberg

»Das hinterlässt einen faden Beigeschmack«

Im Mai erfuhren die Mieter eines Hauses in Berlin-Kreuzberg, dass die Eigentümer das Haus an einen privaten Investor verkaufen wollen – erst einmal nichts Ungewöhnliches. Die Eigentümer aber kommen aus dem Umfeld der Taz, galten als Linke und waren zum Teil mit den Bewohnern befreundet. Die Jungle World sprach mit Metin Yilmaz, Photojournalist und Bewohner des Hauses seit 1996.
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Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie das erste Mal von dem geplanten Hausverkauf hörten?

Wir waren alle schockiert. Naiv dachte ich, die Eigentümer würden uns sagen, an wen sie verkaufen wollen. Ich kenne ja einige. Aber kein Wort. Wir meldeten uns beim Bezirksamt und befreundeten Politikern. Die fragten nach – fast keine Antwort. Alle, auch beim Bezirksamt, glaubten an eine gute Lösung mit den ­Eigentümern. Dass diese nicht reagierten, war ein weiterer Schock. Wir schrieben noch einen Brief; 18 Mieter aus dem Haus haben unterschrieben, bei 21 Mietwohnungen und zwei Läden. Jetzt erst antworteten einige der Vermieter: Man habe sich nicht einigen können, an eine Genossenschaft zu verkaufen, und es sehe ja derzeit für Mieter nicht schlecht aus in Berlin.

Warum finden Sie es problematisch, dass die ­Eigentümer das Haus verkaufen wollen?

Das Haus wurde als Selbsthilfeprojekt ab 1994 saniert, und zwar mit öffentlichen Geldern. Weil wir uns fragten, wie viel öffentliches Geld hineinfloss, stellte Katrin Schmidberger von den Grünen eine schrift­liche Anfrage an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Ende 1994 war ein Vertrag unterschrieben worden, 3,5 Millionen Mark flossen für die Modernisierung »für besondere ­wohnungspolitische Projekte«. Nach der Endabnahme hatte das Bezirksamt 20 Jahre lang das Belegungsrecht für die Wohnungen und die Miethöhe war gedeckelt, bis 2017. Ab dann gab es regelmäßige Mieterhöhungen, zweimal 15 Prozent. Obwohl sie das Haus loswerden wollen, ­erhöhen die Be­sitzer die Mieten – wohl um den Kaufpreis zu erhöhen. Das hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Was wäre für Sie die beste Lösung?

Das Beste wäre, wenn die Eigentümer erkennen, dass sie sich wie normale Investoren verhalten und nicht so, wie sie sich öffentlich darstellen. Es wäre gut, wenn sie sich besinnen und gemeinsam, nicht mit uns, aber mit den Politkern reden, und sich helfen lassen, einen anderen Käufer zu finden, der eher einer Genossenschaft gleicht. Das wäre ein positives Signal – für alle Menschen, die sich gerade Sorgen um ihre Wohnung machen.

Wie kann man das »Recht auf Stadt« gewähr­leisten?

Keine Rendite mit der Miete. Dass man Wohnraum besitzen darf, können wir anscheinend nicht verhindern. Es braucht aber Begrenzungen. Eine hohe Rendite geht nur mit Mieterhöhungen. Diese Dynamik macht Nachbarschaften kaputt, macht Menschen kaputt. Wir erleben das jeden Tag: alle Menschen, die die Post bringen, die an der Supermarktkasse arbeiten – sie können sich keine Wohnung mehr von ihrem Lohn leisten, dort wo sie arbeiten. Menschen sollten von ihrem Verdienst ein glück­liches Leben führen können.

Außerdem: Wo öffentliches Geld hinfließt, muss auch öffentliches Eigentum entstehen. Es kann nicht angehen, dass das Haus von öffentlichem Geld hergerichtet wird, damit jemand es 20 Jahre später wieder verkauft – und dann bei einem ursprünglichen Kaufpreis von 1,2 Millionen Mark einen Verkaufspreis von sechs bis zehn Millionen Euro erzielt. Das ist eine riesige Gewinnmarge. Dafür brauchen sie keinen Cent Spekulationssteuern zahlen, weil sie das Haus länger als zehn Jahre besaßen.