Der US-Fußballverband will weibliche und männliche Nationalspieler zukünftig gleich bezahlen

Gleiche Bezahlung für bessere Arbeit

Der US-amerikanische Fußballverband will seinen Nationalspielerinnen in Zukunft genauso viel bezahlen wie seinen Nationalspielern.

Im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund ist eine Kaffeetasse ausgestellt. Sie erinnert daran, dass die Spielerinnen der DFB-Auswahl nach dem Sieg im Finale der Europameisterschaft 1989 als Prämie nicht mehr als ein Kaffeeservice erhielten. Die Geschichte dazu ist inzwischen so oft erzählt worden, dass sie bereits zur Folklore gehört. Daran, dass Frauen und Männer im Fußball ungleich bezahlt werden, hat sich seither jedoch wenig geändert.

Es gibt selbstverständlich Gründe und Ursachen für diesen Umstand. Während der Männerfußball, wie wir ihn kennen, auf eine ungebrochene Geschichte von inzwischen an die 170 Jahren zurückblicken kann, war Frauenfußball nach einem Aufschwung, der bis in den Ersten Weltkrieg andauerte, ab den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts lange Zeit de facto von den Fußballverbänden verboten. Erst Anfang der siebziger Jahre wurde er von Verbandsseite wieder zugelassen. Was den Ausbau von Strukturen und ­Fanbasis sowie nicht zuletzt die Entwicklung des Spiels selbst betrifft, haben die Frauen gegenüber den Männern also viele Jahrzehnte Rückstand. Zieht man das in Betracht, ist die Entwicklung des Frauenfußballs, die er seit Ende der sechziger Jahre nahm, im Grunde eine einzige Erfolgsgeschichte.

Mit Männerfußball lässt sich sehr viel mehr Geld verdienen als mit Frauenfußball und folglich können die entsprechenden Vereine es sich auch leisten, mehr in ihr Humankapital zu investieren. Die nationalen Fuß­ballverbände sind jedoch keine Unternehmen.

Schaut man sich jedoch die bloßen Zahlen an, scheint der Männerfußball in eine absurde Dimension enteilt, die der Frauenfußball wahrscheinlich nie erreichen wird und vielleicht auch gar nicht erreichen sollte. So berichtete das Sportnachrichtenportal Ran 2019, dass der brasilianische Nationalspieler Neymar bei seinem Verein Paris Saint-Germain in einem Jahr 100 000 Euro mehr verdient als alle 1 700 Spielerinnen der damaligen sieben Topligen in Europa, Australien und Nordamerika zusammen. Was auf den ersten Blick kaum vorstellbar erscheint, ist bei genauerer Betrachtung nur folgerichtig. Profifußball ist ein Geschäft und Fußballclubs sind Unternehmen. Mit Männerfußball lässt sich sehr viel mehr Geld verdienen als mit Frauenfußball und folglich können die entsprechenden Vereine es sich auch leisten, mehr in ihr Humankapital zu investieren.

Das gilt jedoch nur für den Vereinsfußball. Die nationalen Fußballverbände sind keine Unternehmen und sollten sich auch nicht wie Unternehmen verhalten. Dementsprechend gibt es auch keinen legitimen Grund dafür, Nationalspielern mehr zu zahlen als Nationalspielerinnen. Dass auch bei Länderspielen mit Männerfußball in der Regel mehr Geld verdient wird als mit Frauenfußball, kann dabei kein Argument sein. Das Finanzierungsmodell der Fifa sieht vor, mit der Weltmeisterschaft im Männerfußball Überschüsse zu erwirtschaften, die dann in den kommenden vier Jahren unter anderem auch dafür genutzt werden, die zahlreichen anderen Turniere der Juniorinnen, Junioren und Frauen sowie im Futsal und Beach Soccer zu finanzieren. Eine entsprechende Quer­finanzierung innerhalb der einzelnen Verbände wäre also durchaus nichts Neues.

In den USA ist den Nationalspielerinnen in dieser Hinsicht nun ein Durchbruch gelungen. Der Verband will seinen Spielerinnen in Zukunft dasselbe zahlen wie seinen Spielern. Außerdem soll eine mehrere Dutzend umfassende Gruppe jetziger und ehemaliger Nationalspielerinnen insgesamt etwa 22 Millionen US-Dollar Entschädigung erhalten, was etwa einem Drittel dessen entspricht, was diese Gruppe vor Gericht gefordert hatten. Weitere zwei Millionen US-Dollar sollen in die Förderung von Spielerinnen nach Ende ihrer aktiven Karriere sowie in den Ausbau des Frauenfußballs insgesamt fließen.

Mit dieser Einigung wird ein fast drei Jahre alter Rechtsstreit beigelegt. Im März 2019 hatten alle 28 Fußbal­lerinnen, die damals zum Kader der Nationalelf gehörten, ihren Verband wegen Geschlechterdiskriminierung verklagt. Drei Jahre zuvor hatten schon einmal fünf Spielerinnen geklagt. Wirkliche Einkommensgleichheit konnten sie damals nicht erreichen, wohl aber eine merklich bessere Bezahlung, die ein Jahr später in einem sogenannten collective bargaining agreement, einer Art Tarifvertrag, festgehalten wurde.

Dem Anlauf aus dem Jahr 2019 war noch mehr Erfolg beschieden. Das lag zum einen daran, dass sich diesmal alle Nationalspielerinnen gemeinsam mit dem Verband anlegten, zum anderen aber sicher auch an der gesamtgesellschaftlichen Debatte über die Diskriminierung von Frauen, die infolge der Me-too-Bewegung deutlich größeren Raum einnahm. Vor allem aber zeigte das Team auf dem Platz, was es wert war. Als es im Juli bei der Weltmeisterschaft in Frankreich die Niederländerinnen im Finale mit 2:0 schlug, bedeutete das nicht nur die erfolgreiche Titelverteidigung, es elektrisierte auch die US-amerikanischen Fußballfans. »Equal pay!« hallte es von den Rängen im Parc Olympique Lyonnais.

Es war der vierte Weltmeistertitel seit der Einführung der Weltmeisterschaft im Frauenfußball 1991. Die Nationalelf der Männer hingegen hat es seit 1930 nicht mehr über das Halbfinale einer Weltmeisterschaft hinaus geschafft. Den Gold Cup des Kontinentalverbands Concacaf konnten die Männer immerhin siebenmal gewinnen, aber auch auf kontinentaler Ebene liegen die Frauen mit neun Titeln vorn. Hinzu kommen vier olympische Goldmedaillen.

Auch im internationalen Vergleich ist die Leistung der US-Amerikanerinnen also beeindruckend. Seit der Einführung des offiziellen Fifa-Rankings 2003 lagen sie zusammengenommen über 14 Jahre an erster Stelle. Ihre derzeitige Regentschaft reicht bis in das Jahr 2018 zurück. Zum Vergleich: Die Männer liegen derzeit auf Rang 13. 2012, unter Trainer Jürgen Klinsmann, rutschen sie zeitweilig sogar auf Platz 35 ab.

Zu guter Letzt sind die Nationalspielerinnen nicht nur erfolgreich, sie bringen auch Menschen in die Stadien. 2019, also vor der Pandemie, lagen die Zuschauerzahlen bei Spielen der Frauen im Schnitt acht Prozent höher als bei denen der Männer. Durchschnittlich 25 000 Menschen sahen zu dieser Zeit die Heimspiele des Teams.

Der US-Verband wird nicht der erste sein, der Spielerinnen und Spieler gleich bezahlt. Auch in Norwegen und Australien gibt es entsprechende Vereinbarungen. Wenn allerdings der unangefochtene Branchenprimus seine Gehaltspolitik ändert, dann hat das selbstverständlich noch einmal eine ganz andere Ausstrahlung auf den Frauenfußball insgesamt. Abzuwarten bleibt hingegen, ob die Angleichung der Bezahlung auch Auswirkungen auf die US-amerikanische Frauenprofiliga NWSL haben wird, die in den ver­gangenen Jahren immer weiter hinter die europäische Konkurrenz ­zurückgefallen ist. In den europäischen Topligen, in die zahlreiche Großclubs aus dem Männerfußball wie Paris Saint-Germain, der FC Barcelona oder der FC Chelsea kräftig investiert haben, wird inzwischen deutlich besser bezahlt als in den USA.

Bis jetzt hat der US-Verband ohnehin nur eine Absichtserklärung abgegeben und so einen längeren Gerichtsprozess verhindert. Ein neues collective bargaining agreement muss erst noch ausgehandelt werden. Dass der Verband Wort hält, darf jedoch als relativ sicher gelten, und das nicht nur, weil ihm andernfalls erneut eine Klage drohen dürfte. Die Vorsitzende des Verbands, Cindy Parlow Cone, war früher selbst Profi und danach Trainerin in der NWSL. Sie kennt die Situation also aus eigener Erfahrung.

Parlow Cone löste 2020 Carlos Cordeiro ab, der nach heftiger Kritik von Spielerinnen, Sponsoren und Funktionären zurücktreten musste, nachdem der Verband in dem Rechtsstreit unter seiner Führung die Posi­tion eingenommen hatte, Frauen hätten »weniger körperliche Fähigkeiten und weniger Verantwortung als Männer«. Im März stimmt der Verband darüber ab, ob Parlow Cone für weitere vier Jahre im Amt bleibt. Auch Cordeiro will sich um den Posten bewerben. Eine erfolgreiche ­Beilegung des lange schwelenden Konflikts wäre für Parlow Cone eine willkommene Wahlwerbung.

Ungeklärt ist allerdings, wie der Verband die Prämien bei den Weltmeisterschaften ausgleichen will. Die Fifa schüttete zur Weltmeisterschaft 2018 bei den Männern 400 Millionen US-Dollar an Prämien aus, davon ­alleine 38 Millionen US-Dollar an den Weltmeister Frankreich. Das sind acht Millionen US-Dollar mehr, als es im Jahr darauf bei den Frauen insgesamt an Prämien gab. Diese Ungleichbehandlung durch den Weltfußballverband ist auf nationaler Ebene kaum auszugleichen. Hier ist es eine internationale Lösung nötig.