Small Talk mit Johannes Richter von Polylux über die Förderung antifaschistischer Initiativen im ländlichen Ostdeutschland

»Wir akquirieren Spenden aus Anstand«

Bei der Bundestagswahl wurde die AfD in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft, doch es gibt »den anderen Osten«, wie das 2019 gegründete Netzwerk Polylux auf seiner Website schreibt. Der Verein sammelt über Fördermitgliedschaften Gelder ein, die er an seine Partnerprojekte verteilt – kleine antifaschistische Initiativen im ländlichen Ostdeutschland. Die »Jungle World« sprach mit Johannes ­Richter vom Netzwerk Polylux.
Small Talk Von

Warum haben Sie sich für den Namen Polylux entschieden?

Mit einem Polylux kann man Sachen an die Wand projizieren und somit vergrößern. Wir wollen, dass sichtbar wird, dass es in Ostdeutschland nicht nur die extreme Rechte gibt, sondern sehr viele linke, antifaschistische Oasen, aus denen dagegenhalten wird. Wir wollen, dass nicht immer nur über die schlechten Seiten gesprochen wird, sondern diese Oasen gefördert und somit bekannter werden. Zudem ist Polylux als ostdeutsches Wort für einen Overheadprojektor vorrangig den Leuten vertraut, die in den neunziger und nuller Jahren im Osten zur Schule gegangen sind.

Welche politischen Forderungen hat das Netzwerk Polylux?

Wir fordern einen gesellschaftlichen Linksruck. Antifaschismus muss zum Grundkonsens gehören, wir müssen als Gesellschaft zum Anstand zurückkehren. Es muss endlich Schluss sein mit diesem Gequatsche von »Extremismus«. Wir merken, dass kleine ­linke Projekte verstärkt unter Druck geraten, insbesondere in Ostsachsen – nicht nur finanziell, sondern generell durch rechte ­Hegemonie vor Ort. Deshalb wollen wir solche Projekte auf kommunaler Ebene fördern und unabhängig machen.

Was bedeutet das Ergebnis der AfD bei der Bundestagswahl in Sachsen und Thüringen für Ihre Arbeit?

Das Wahlergebnis hat die Aufmerksamkeit wieder auf den Osten gelenkt. Wir wissen, dass die AfD in Sachsen und Thüringen eine stabile Stammwählerschaft hat, überrascht hat uns das Ergebnis deshalb nicht. Wir wollen diese Aufmerksamkeit nutzen, um sowohl auf Polylux als auch auf die von uns geförderten Projekte aufmerksam zu machen.

Nach welchen Kriterien suchen Sie aus, wen Sie fördern und wen nicht?

Wir fördern kleine Projekte mit Schwerpunkt im ländlichen Raum, die einen klaren antifaschistischen Grundkonsens haben. Es geht uns nicht darum, die professionalisierte Zivilgesellschaft zu unterstützen, also beispielsweise Vereine mit mehreren hauptamtlichen Stellen. Die dort benötigten Summen können wir gar nicht abdecken. Der Zugang zur Förderung soll niedrigschwellig sein, deshalb gibt es bei uns kein standardisiertes Antragsverfahren, wie es die meisten Förderrichtlinien verlangen. Meist werden wir über Kontakte auf Projekte aufmerksam und suchen dann das persönliche Gespräch. Die Initiativen können über das Kontaktformular auf unserer Website anfragen. Wir stimmen in monatlichen Sitzungen dann darüber ab, welche Anliegen wir fördern. Das können die Druckkosten für Flyer für eine Veranstaltung im ländlichen Raum sein oder Corona-Überbrückungshilfen, damit die Leute ihre Miete zahlen können.

Der Verein Polylux ist nicht gemeinnützig. Warum?

Wir haben uns bewusst gegen die Gemeinnützigkeit entschieden, um ein politisches Zeichen zu setzen und staatlichen Institutionen so ­wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Man muss sich nur die Debatten über Organisationen wie VVN-BdA, Campact oder Attac anschauen. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist ein Vehikel, um Vereinen große Nachzahlungen abzuverlangen, weil sie aufgrund ihrer »politischen Haltung« aus bestimmten Kategorien herausfallen. Wir akquirieren Spenden aus Anstand und nicht, um Spendenquittungen auszustellen. Wir wollen damit Haltung zeigen.