Besetzung der US-Botschaft in Teheran

Gefangen im Spionagenest

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Diese Metapher bezog sich auf den Sturz des iranischen Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh 1953 durch einen von der CIA organisierten Staatsstreich. Der Sturz Mossadeghs war längst zu einem so symbolischen wie traumatischen Ereignis geworden und ist es bis in die Gegenwart geblieben. Ähnlich wie beim französisch-englischen Sykes-Picot-Abkommen über die Aufteilung des Nahen Ostens in koloniale Einflusssphären wird dem Schicksal Mossadeghs eine überhistorische Wahrheit beigemessen. Mit der bloßen Erwähnung ist vermeintlich schon alles gesagt und erklärt: Ein Putsch, von der CIA inszeniert, der eine demokratisch gewählte Regierung stürzt, weil sie die Profite der Erdölin­dustrie bedroht, um eine vom westlichen Ausland abhängige brutale Diktatur zu installieren. Schaut man etwas genauer hin, dann bietet die berühmt-berüchtigte »Operation Ajax« auch einige Ernüchterung für Antiimperialisten.

Zuerst einmal waren es nicht die USA, die in der Verstaatlichung der Ölindustrie des Iran ein Problem sahen, sondern es war das vom Zweiten Weltkrieg ausgezehrte Großbritannien. Die Regierung von US-Präsident Harry Truman versuchte, zwischen dem halsstarrig auf extrem unfaire Verträge pochenden Großbritannien und Mossadegh zu vermitteln – nicht ohne Sympathien für die iranische Position. Es war dann Trumans ab 1953 amtierener Nachfolger Dwight D. Eisenhower, der im Zeichen des Kalten Kriegs und der Angst, dass Mossadegh den starken iranischen Kommunisten unterliegen könnte, einer verdeckten Operation nach den Wünschen der Briten zustimmte.

Entscheidend war hier einmal mehr, wie oft in der Kolonialgeschichte, einer der men on the spot, nämlich der egozentrische Kermit Roosevelt Jr., ein Enkel des US-Präsidenten Theodore Roosevelt: Er führte den Putsch zu Ende, und zwar gegen die ausdrückliche Anweisung des CIA, die Operation abzubrechen. Und auch wenn Roosevelt der mastermind des Plans war – es waren Iraner, die Mossadegh stürzten, was auch in der Regel vergessen wird, denn der iranische Ministerpräsident war keineswegs unumstritten und die iranische Gesellschaft nicht widerspruchsfrei. Aber diese historische Erblast kam im Herbst 1979 wieder zum Tragen, und sie wirkt bis heute nach. Von US-amerikanischer Seite wurden die CIA-Dokumente zum Sturz Mossadeghs, obwohl die Fakten längst bekannt waren, erst 2017 ganz freigegeben.
Als Treppenwitz der Geschichte bleibt noch der Umstand, dass der Putsch 1953 zwar erfolgreich war, aber der zurückgekehrte Schah die Nationalisierung der Ölindustrie nur partiell rückgängig machte und die alten Verträge mit den Briten eben nicht wiedereinsetzte. Mit seinem neuen Reichtum, der dann in den siebziger Jahren als Folge des Ölpreisschocks erheblich wuchs, suchte der Reza Pahlavi nicht nur eine Aufrüstung zu finanzieren, durch die der Iran zur stärksten Regionalmacht wurde. Das Ölgeld war auch die Finanzquelle der sogenannten Weißen Revolution, einer brachialen Modernisierungspolitik, mit der der Schah versuchte, den Iran in die Zukunft zu katapultieren. Aus den entstehenden sozialen und kulturellen Verwerfungen speiste sich wiederum die Revolution von 1979.