Besetzung der US-Botschaft in Teheran

Gefangen im Spionagenest

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Der konkrete Anlass der Botschaftsbesetzung war die Einreise des Schahs in die USA. Zuvor war der gestürzte Herrscher wie ein lästiges Objekt weltweit herumgeschoben worden, zuletzt konnte er die horrende Miete für ein Domizil auf den Bahamas kaum mehr bezahlen. Präsident Carter genehmigte schließlich die Einreise, als er erfuhr, dass der Schah schwer krebskrank war. Die möglichen gravierenden Konsequenzen waren ihm durchaus klar: Der US-Botschafter hatte nicht zuletzt mit Blick auf die Sicherheit der Diplomaten in Teheran vor diesem Schritt gewarnt, und Carter hatte seine Berater gefragt, was er tun solle, falls infolge einer solchen Entscheidung die Botschaft gestürmt und US-amerikanische Geiseln genommen würde. Als sich in dieser Situation – mit Wissen und impliziter Billigung Khomeinis – der US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński mit Vertretern der iranischen Regierung in Algier treffen wollte, war das der ­Augenblick für die Studierenden, in Teheran loszuschlagen.

Um die Einreise des Schahs in die USA rankt sich eine veritable Verschwörungsthese: Carter sei stark bedrängt worden, Pahlavi die Einreise zu gestatten. Henry Kissinger als einflussreicher republikanischer Hardliner und David Rockefeller als Leiter der Chase Manhatten Bank hätten dabei eine zentrale Rolle gespielt. Der Demokrat Carter musste den näherrückenden Wahltermin berücksichtigen und dem absehbaren Vorwurf vorbeugen, einen langjährigen und strategisch äußerst wichtigen Verbündeten der USA aus Schwäche im Stich gelassen zu haben. Was aber für Carter vor allem auch eine humanitäre Geste war – der Schah wurde sofort in New York operiert –, brachte für die Chase Manhattan Bank eine gewaltige Erleichterung. Die Bank hatte dem Iran großzügige Kredite gewährt, für die zwar nach der Revolution weiter Zinsen gezahlt wurden, aber das angelegte iranische Staatskapital floss auf verdächtige Weise kontinuierlich von den Konten ab. Mit Einsetzen der Geiselkrise und der dramatischen Verschlechterung der amerikanisch-iranischen Beziehungen war jedenfalls das Einfrieren der iranischen Guthaben in den USA begründbar, und die Chase Manhattan Bank konnte die vergebenen Kredite über dieses Kapital absichern.

Durch Khomeinis Billigung wurde die Botschaftsbesetzung und damit auch die Geiselnahme der zuerst 66 US-Amerikaner umgehend zur revolutionären Staatsräson. Bereits nach zwei Tagen trat die düpierte und ohnmäch­tige Regierung Bazargans zurück. Derweil begannen die Studentinnen und Studenten, die Papierstreifen der Akten, die noch im Angesicht der auf dem Botschaftsgelände herumrennenden Besetzerinnen und Besetzer schnell in die Schredder gesteckt worden waren, wieder zusammenzukleben. Zeit dazu war genug da. Mit tendenziösen Veröffentlichungen aus den wieder zusammengeklebten Akten bewirkten die Studierenden in den Wochen und Monaten nach der Erstürmung der Botschaft, dass innenpolitische Gegner ins Exil flüchteten oder im Gefängnis landeten. In ihrer Not zu verstehen, was im Iran vorging, hatten die US-Amerikaner seit Beginn der Revolution versucht, Kontakte jenseits ihrer alten Regimeverbindungen zu knüpfen. Nun führten selbst offizielle Begegnungen mit ihnen für iranische Regierungsmitglieder zu revolutionären Verdammungsurteilen. Anhänger Khomeinis mit Kontakt zu den Amerikanern übersah man geflissentlich. Die US-Botschaft wurde in der revolutionären Rhetorik zum »Agentennest«.