Samstag, 26.02.2022 / 23:57 Uhr

Das Gesicht des Krieges

Von
Thomas von der Osten-Sacken

 Albrecht Dürer: Die vier Reiter (Ausschnitt)

„Das Gesicht des Krieges“. So heißt auf deutsch ein Buch, dass die Kriegsreportagen Martha Gellhorns aus vielen Jahrzehnten enthält. Sie war fast überall an vorderster Front dabei, egal ob im chinesisch-japanischen Krieg, in Spanien, mit den Gis bei der Befreiung Deutschlands oder in Israels Kriegen. Sie war immer parteiisch ohne je für einen Augenblick den furchtbaren Schrecken des Ganzen aus den Augen zu verlieren. Immer wieder betonte sie, was für ein Horror jeder Krieg sei.

Ich habe, ganz anders als sie - anders allerdings auch als viele Menschen in Europa, denen dies erspart blieb bisher - nur ein paar Kriege in den letzten dreißig Jahren und am Rande im Nahen Osten miterlebt und mit unzähligen Opfer dieser Kriege gearbeitet.

Ich kann deshalb Gellhorns Worte nur aus tiefsten Herzen und eben eigener Erfahrung bestätigen. In Kriegen mag das Beste und Schlechteste in Menschen zum Vorschein kommen, nichts rechtfertigt, sie als etwas anderes zu bezeichnen, als sie sind: furchtbar. Und so möchte man jedesmal einfach nur Nein! Nein! Nein! schreien, und ich habe eigentlich jedes Verständnis für die, die dies auch tun. Zumindest aber sollte man sich niemals mit Verhältnissen abfinden, aus denen Kriege immer wieder entstehen und so tun, als sei das, wofür eine Seite kämpft, gut, solange es nicht die Verhältnisse selbst sind, gegen die sie kämpft.

Und doch, wie der Kriegsgegner und Sozialist George Orwell 1942 notierte, der in Spanien die Republik und im 2. Weltkrieg sogar die Kriegsanstrengungen des britischen Empires unterstützte, gibt es fast nie, wenn der Krieg ausgebrochen ist, nicht eine Seite, die zu unterstützen wäre:

"When one thinks of the cruelty, squalor, and futility of war — and in this particular case of the intrigues, the persecutions, the lies and the misunderstandings — there is always the temptation to say: ‘One side is as bad as the other. I am neutral’. In practice, however, one cannot be neutral, and there is hardly such a thing as a war in which it makes no difference who wins. Nearly always one stands more or less for progress, the other side more or less for reaction.“

Das eine Seite in der Regel more or less (!) für progress steht, macht Krieg deshalb nicht besser. Und es waren Menschen wie Orwell und Gellhorn, denen jedes Hurrageschrei so völlig abging, eben weil sie wussten, was Krieg bedeutet, welchen Schrecken er verbreitet und welches Elend er anrichtet.

Entsprechend gab es dann auch immer den Traum vom „War to end all Wars“, der sich nur jedesmal als Illusion herausgestellt hat.

In den Kriegen, die ich miterlebt habe, egal ob es der der irakischen Kurden und Opposition um Freiheit von Saddam Husseins Diktatur war, Israels gegen die Hizbollah und Hamas, des Sturzes Saddam Husseins durch die Coalition of the Willing oder der Bürgerkriege in Syrien und Libyen gegen Assad und Gaddafi, habe ich mich jedesmal auf die Seite gestellt, die ich als die des more or less progress sah. Die Massaker des Islamischen Staates gegen alle und jede/n in Syrien und dem Irak mag man nicht einmal als Krieg bezeichnen.

Ja, ich freute mich über Siege und litt unter Niederlagen, aber immer wusste man doch zu welchem Preis dies geschah. Billiges Kriegsgeheul ist mir deshalb so zuwider wie grundsätzliches Friedensgerede. Ja, es gibt schlimmeres als Krieg, das macht Krieg nur nicht weniger schlimm.

Und genau so ist es dieser Tage wieder, auch wenn ich diesmal viele hundert Kilometer vom Geschehen entfernt sitze. Und es sollte immer Kriegsgegner, die solch Partei in einem Krieg ergreifen, auszeichnen, dass jede Zeile, die sie schreiben, des Schreckens und Leidens eingedenk bleibt. Das nämlich macht den großen Unterschied, der einer aufs Ganze ist, zu Propaganda aus, die einem in Kriegszeiten viel zu schnell über die Lippen zu gehen droht.

Weil es die Verhältnisse sind, die Kriege erst möglich machen, sollte deshalb auch nie nur der Wunsch es möge einfach aufhören, den man so oft verspürt, einen leiten, sondern man dem Ziel die Treue halten, dass zumindest etwas an diesem Krieg helfen möge, dass sein Ende auch diese Verhältnisse verändert. Denn nur das wäre der progress im Sinne von George Orwell.