»Nell’ Ora Blu« von Uncle Acid and The Deadbeats

Blaue Stunde, rotes Blut

Die Retro-/Doom-Rocker von Uncle Acid and the Deadbeats haben mit »Nell’ Ora Blu« ein Album veröffentlicht, das musikalisch das italienische Kino der sechziger und siebziger Jahre würdigt.

Wie macht man Musik, die wie ein Filmgenre klingt? Diese Frage haben sich die Retro-/Doom-Rocker von Uncle Acid and the Deadbeats schon oft gestellt – doch die Antwort fiel noch nie so radikal aus wie auf ihrem neuen Album »Nell’ Ora Blu« (zu Deutsch: »In der blauen Stunde«).

Kevin Starrs verpflichtete unter anderem die Genre-Größe Edwige Fenech und den »Django«-Darsteller Franco Nero für Sprechrollen und für das Artwork Renato Casaro, der mit dem Regisseur Sergio Leone zusammengearbeitet hatte.

Im vergangenen Jahr hatte die Band um Kevin Starrs mit dem Live-Album »Slaughter on First Avenue« so etwas wie ein Best-of ihrer meist kurzen, eingängigen Songs veröffentlicht, mit dem neuen Studioalbum aber – dem ersten seit »Wasteland« von 2018 – folgt nun eine Mischung aus italienischsprachigem Kriminalhörspiel und psychedelischem Soundtrack. In Teilen sogar ohne den Gesang von Starrs, bisher Markenzeichen der Band.

Pate standen zwei Genres des italienischen Kinos der sechziger und siebziger Jahre: Poliziottesco, düstere Polizeifilme, und Giallo, blutige Horror- und Mystery-Thriller. Sind Übernatürliches und Gewalt allgemein beliebte Themen des Doom, so war bei Uncle Acid schon immer deren Darstellung in der Popkultur ein entscheidender Referenzpunkt.

Doch die Art und Weise, wie dies auf »Nell‘ Ora Blu« geschieht, erscheint fast größenwahnsinnig: Starrs, der einen Großteil der Instrumente selbst einspielte, kehrte sich nicht nur musikalisch von der gewohnten Formel der Band ab, sondern verpflichtete unter anderem die Genre-Größe Edwige Fenech und den »Django«-Darsteller Franco Nero für Sprechrollen und für das Artwork Renato Casaro, der mit dem Regisseur Sergio Leone zusammengearbeitet hatte.

Tatsächlich gelingt das Unterfangen. Schon das immer wiederkehrende Telefonläuten schafft es, etwas von der materiellen Kultur der Zeit ins Jetzt herüberzuretten. Das Album ist nicht nur abwechslungsreich und wechselt zwischen teils cocktailpartyhaftem Seventies-Soundtrack und düsterem Psych, es fängt auch kongenial die Stimmung seiner filmischen Vorlagen ein.


Albumcover

Uncle Acid and The Deadbeats: Nell’ Ora Blu (Rise Above Records)