Der Genozid, der nicht vergangen ist
30 Jahre nach Beginn des Genozids in Ruanda hetzt erneut ein Staatspräsident gegen die Minderheit der Tutsi, die in mehreren Ländern Ostafrikas beheimatet ist. »Wir müssen die Spreu vom Weizen trennen«, sagte Félix Tshisekedi, der Präsident der benachbarten Demokratische Republik Kongo, Ende März zur französischen Tageszeitung Le Monde. In der kongolesischen Armee gebe es Verräter, so Tshisekedi weiter. »Nicht nur ruandischsprachige, sondern auch Kongolesen, die anderen Sprachgruppen angehören. Heute kämpfen wir sowohl gegen einen sichtbaren Feind, Ruanda, als auch gegen einen unsichtbaren, diejenigen, die unsere Reihen infiltriert haben.«
Tshisekedis düstere Andeutungen erinnern an die Hassreden, die 1994 in Ruanda von extremistischen Hutu-Nationalisten verbreitet wurden – auch wenn Hutu und Tutsi beide zumeist Ruandisch sprechen. Auch damals wurden vermeintliche Kollaborateure in den eigenen Reihen denunziert, gerne unter Verwendung von Sprachbildern aus der Natur, indem sie beispielsweise als Kakerlaken oder Schlangen bezeichnet wurden. Die Propaganda war einer der Faktoren, die zum Abschlachten von geschätzt einer Million Menschen führten, ein großer Teil davon Tutsi-Zivilisten, aber auch viele andere, die sich dem Hass entgegengestellten. Die Täter waren häufig die Nachbarn der Opfer. Freilich wurden sie angeführt von straff organisierten Milizen und staatlichen Institutionen, und deren bürokratische Kompetenz war es, die den Völkermord überhaupt erst in dieser Geschwindigkeit und in diesem Ausmaß ermöglichte.
Im Ostkongo und auch in der weit entfernten Hauptstadt Kinshasa herrscht eine latente Pogromstimmung, die immer wieder in gewalttätige Übergriffe auf einzelne Tutsi mündet.
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