Bei den Kommunalwahlen in Polen feiert die langjährige Regierungspartei PiS Erfolge

Allesamt sind Sieger

Bei den Regional- und Kommunalwahlen in Polen ist die oppositionelle Partei PiS mit leichtem Vorsprung stärkste Kraft geworden, aber Minister­präsident Tusks Regierungskoalition gewinnt die meisten Regionalparlamente und bestätigte ihr Ergebnis der Parlamentswahlen im Oktober.

Die Regional- und Kommunalwahlen galten als wichtiger Test für die Beliebtheit der im Dezember angetretenen polnischen Regierung. Die Wählerinnen und Wähler entschieden am Sonntag landesweit über die Besetzung von 16 Regionalparlamenten (Sejmiki) ­sowie Tausende von Kreis- und Gemeinderäten sowie Bürgermeisterposten.

Die nationalkonservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit, PiS) holte mit 33,7 Prozent insgesamt die meisten Stimmen. Die liberal-konservative, EU-freundliche Koalicja Obywatelska (Bürgerliche Koalition, KO) von Ministerpräsident Donald Tusk wurde nur zweitstärkste Kraft mit 31,9 Prozent. Die auf nationaler Ebene regierende Koalition aus KO, dem christlich-konservativen Trzecia Droga (Dritter Weg, 13,5 Prozent) sowie dem linken Bündnis Lewica (6,8 Prozent) holte aber zusammen eine deutliche Mehrheit.

Die rechtsextremistische Konfede­racja, der einzige potentielle Verbündete der als koalitionsunfähig geltenden PiS, bekam 7,5 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung war mit 51,5 Prozent deutlich schlechter als bei der Parlamentswahl im Oktober, die das Ende der achtjährigen Regierungszeit von PiS bedeutete und eine Rekordbeteiligung von 74,4 Prozent aufwies. Die neuen Machtverhältnisse seitdem wurden also nun im Wesentlichen ­bestätigt. Die PiS war im Oktober zwar stärkste Partei geworden, konnte aber kein Regierungsbündnis schmieden. Auf nationaler Ebene ist sie weiterhin die größte Partei im Parlament.

Tusk selbst hatte die Abstimmung zu einem Votum über seinen Regierungskurs gemacht und sprach von einem Sieg der EU-freundlichen Kräfte.

Bei den Bürgermeisterwahlen in den größten Städten des Landes holten wie erwartet die Kandidaten aus dem Regierungslager den Sieg. Die amtierenden PO-Bürgermeister:innen von Warschau, Rafał Trzaskowski (57,4 Prozent), und Danzig, Aleksandra Dulkiewicz (58 Prozent), erreichten die Wiederwahl, ohne einen zweiten Wahlgang zu benötigen. Am 21. April wird es eine Stichwahl in den Kommunen geben, in denen die Bürgermeisterkandidaten in der ersten Runde nicht mindestens 50 Prozent der Stimmen erhalten haben, auch in den Großstädten Krakau und Breslau.

Trzaskowski sagte nach seiner Stimmabgabe vor Reportern: »Die Kommunalwahlen sind wirklich unglaublich wichtig, denn die meisten wichtigen Entscheidungen werden in Polen auf lokaler Ebene getroffen. Deshalb ist die Bedeutung dieser Wahl absolut entscheidend.« Die Kommunalverwaltungen haben in den vergangenen Jahren sowohl bei Impfungen während der Covid-19-­Pandemie als auch bei der Unterbringung zahlreicher ukrainischer Flüchtlinge eine wichtige Rolle gespielt. Trzaskowski freute sich, dass die KO die meisten Regionalparlamente für sich gewinnen konnte und »ein weiterer Schritt getan wurde, um gewiss zu sein, dass die Populisten der PiS nie wieder an die Macht kommen werden«, so dass dies der zugleich »nächste Schritt« zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit sei.

Der PiS-nahe Staatspräsident Andrzej Duda blockiert

Tusk selbst hatte die Abstimmung zu einem Votum über seinen Regierungskurs gemacht und sprach von einem Sieg der EU-freundlichen Kräfte. Er kam mit dem Versprechen an die Macht, die antidemokratischen Änderungen im Justizsystem und in den öffentlichen Medien unter der Herrschaft von PiS rückgängig zu machen, die Rechte von Frauen und Minderheiten zu stärken sowie die angespannten Beziehungen zu Polens westlichen Verbündeten zu verbessern. Im Wahlkampf hatte er optimistisch 100 Maßnahmen für die ersten 100 Tage seiner Regierung an­gekündigt. Erfüllt sind allerdings kaum ein Viertel der Versprechen.

Das liegt zum Großteil daran, dass der PiS-nahe Staatspräsident Andrzej Duda mit seinem Vetorecht viele Reformprojekte der neuen Regierung verhindern kann. So blockierte er Ende März ein Gesetz, das Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln erleichtern sollte. Die PiS-Regierung hatte 2017 eingeführt, dass die »Pille danach« nur mit einem Rezept erhältlich ist. Duda hatte seine Ablehnung des Gesetzes mit dem »Schutz der Gesundheit von Kindern« begründet. Er sei dagegen, dass allen Personen ab 15 Jahren, dem polnischen Schutzalter für sexuelle Mündigkeit, der Zugang zur Notfallverhütung erlaubt sei, da »ein Mädchen die Pille kaufen und vorsichtshalber fünf auf einmal nehmen könnte«. Ein präsidentielles Veto kann nur mit ­einer Dreifünftelmehrheit im Parlament, dem Sejm, überstimmt werden.

Jarosław Kaczyński, PiS-Vorsitzender und bis vor kurzem Polens mächtigster Politiker, sieht seine Partei als Siegerin und sagte, das Ergebnis sei für PiS vor allem ein Ansporn zur Arbeit, auch mit Blick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni.

In einer Rede kurz nach der Ver­öffentlichung der ersten Wahlergebnisse sagte Tusk, dass das Scheitern seiner Partei, die meisten Stimmen zu holen, zum Teil auf die hohe Wahlbeteiligung in den katholisch geprägten PiS-Hochburgen im Osten und Süden sowie in ländlichen Regionen zurückzuführen sei, und räumte die mangelnde Mobilisierung junger Wähler als Versäumnis ein. Die könnten aber auch enttäuscht von den internen Streitigkeiten der Koalitionspartner sein, die sich vor allem nicht auf die angekündigte Liberalisierung des Abtreibungsrechts einigen können, das zu den ­restriktivsten in Europa gehört und unter der PiS-Herrschaft weiter verschärft worden war.

Die konservative Trzecia Droga und ihr beliebtester Politiker, der Parlamentspräsident Szymon Hołownia, wollen nur diese Verschärfung rückgängig machen, die KO und Lewica hingegen die Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legalisieren. Hołownia wirbt dafür, die Pol:in­nen in einem Referendum entscheiden zu lassen. Er gilt als möglicher Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten, genauso wie Tusks Verbündeter Trzaskowski, der bei den Präsidentschaftswahlen 2020 nur knapp gegen Amts­inhaber Duda verlor, dessen zweite und letzte Amtszeit nächstes Jahr endet.

Die Kommunalwahlen waren auch ein Test für die Partei PiS, deren Positionen zu LGBT-Themen und dem Abtreibungsrecht von vielen jungen und weiblichen Wählern abgelehnt werden. Jarosław Kaczyński, PiS-Vorsitzender und bis vor kurzem Polens mächtigster Politiker, sieht seine Partei ebenfalls als Siegerin und sagte, das Ergebnis sei für PiS vor allem ein Ansporn zur Arbeit, wohl auch mit Blick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni. Kaczyński kommentierte: »Wie Mark Twain einmal sagte, die Meldung meines Todes ist ­etwas verfrüht.«