Im Namen des großen Führers
Um die 700 Personen waren es diesmal. Am Samstag versammelte sich die Menge gegen 14 Uhr beim Frankfurter Hauptbahnhof am Anfang der Kaiserstraße. Damit hat das Netzwerk um das Offenbacher Islamische Zentrum Ehl-i Beyt, das von türkischsprachigen Schiiten geführt wird und den al-Quds-Tag seit 2015 in der Stadt organisiert, einen neuen Höchststand an Teilnehmern erreicht, was sicherlich auch mit dem 7. Oktober und dessen Folgen zu tun hat.
Plakate mit der Aufschrift »#NieWieder« sieht man neben Bildern des iranischen Revolutionsführers Khomeini – ein Holocaustleugner, der sich zeitlebens für die Vernichtung Israels einsetzte.
Auf der Ladefläche eines Kleinlasters mit Offenbacher Nummernschild liest ein Kader des Netzwerks die Auflagen vor und gibt an, welche Parolen am heutigen Tag zu rufen, welche Flaggen zu zeigen sind. Wie im Vorjahr soll versucht werden, sich über die ausschließlich auf Deutsch und Englisch gerufenen Parolen einen friedenspolitischen Anstrich zu geben: Der Genozid solle gestoppt und Palästina befreit werden. Mit dem Ruf »Muslime, Juden und Christen – Hand in Hand gegen Zionisten« will man sich offenbar gegen den Vorwurf des Antisemitismus wappnen. Schließlich weist der Redner auf möglichen Gegenprotest hin und mahnt zu friedlichem Verhalten.
Eine halbe Stunde später setzt sich der Tross in Bewegung. An der Spitze laufen führende Mitglieder des Ehl-i-Beyt-Netzwerks. Sie tragen Flaggen Palästinas und der Islamischen Republik Iran und die Konterfeis der iranischen Revolutionsführer Khomeini und Khamenei sowie des inzwischen verstorbenen Imams des Islamischen Zentrums Ehl-i Beyt, Muhammed Avcı.
Im Vergleich zu früheren Jahren war einiges anders. Auf die Fahnen anderer islamischer Länder wie etwa Syrien wurde diesmal verzichtet und man marschierte nicht mehr in geschlechtergetrennten Blöcken. Womöglich erhofften sich die Veranstalter, dieses Jahr neue Milieus für die Demonstration zu gewinnen.
Mitunter hat das auch geklappt. Junge Frauen mit Pluderhosen hielten Schilder hoch, auf denen der Bruch des »internationalen Rechts« beklagt wurde, während neben ihnen die Flagge der Islamischen Republik wehte. Plakate mit der Aufschrift »#NieWieder« sah man neben Bildern des iranischen Revolutionsführers Khomeini – ein Holocaustleugner, der sich zeitlebens für die Vernichtung Israels einsetzte. Er hatte den al-Quds-Tag 1979 ins Leben gerufen, der immer am letzten Freitag des Ramadan begangen wird, um die Zerstörung Israels und die Eroberung Jerusalems im Namen des Islam zu fordern – al-Quds ist der arabische Name Jerusalems.
Die Redebeiträge auf der Gegenkundgebung verwiesen in deutlichen Worten auf den antisemitischen Charakter des al-Quds-Tags.
Sowohl im Rhein-Main Gebiet als auch in Mittelhessen hatten verschiedene autoritär linke Gruppen zum al-Quds-Tag aufgerufen. So wunderte es nicht, dass auch Mitglieder eines universitären K-Grüppchens auf der Demonstration präsent waren sowie Leute aus der Frankfurter Verschwörungsszene von der Gruppe Widerstand 4.0, die sonst über »Great Reset« fabulieren und bei »Querdenkern« mitlaufen. Ebenfalls dabei war offenbar ein Kamerateam vom iranischen Staatssender Press TV, der später ein Video der Demonstration veröffentlichte.
Am Endpunkt der Demonstrationsroute angekommen folgten weitere Redebeiträge und ein Gebetsgesang. Die Menge genoss die erste Frühlingssonne, während aus den Lautsprechern ein Lied der libanesischen Band Firqat al-Isra über die »Befreiung« Jerusalems erklang; laut dem iranischen regimetreuen Medium Tehran Times ist die Band »mit der Hizbollah verbunden«. Der Sohn des verstorbenen Imam, Ismail Avcı, durfte die Abschlussrede halten – auf Türkisch –, dann wurde die Veranstaltung beendet.
In Hörweite, doch durch zahlreiche Polizeiautos getrennt, wurde in diesem Jahr zum ersten Mal gegen den al-Quds-Tag in Frankfurt protestiert. Aufgerufen hatte die antifaschistische Initiative 7. Oktober aus Frankfurt, auf deren Kundgebung sowohl linke als auch jüdische und exiliranische Organisationen vertreten waren. Auch ein Grußwort von Kazem Moussavi vom Berliner Bündnis »No al-Quds-Tag« wurde verlesen.
Die Teilnehmerzahl war mit etwa 200 Personen deutlich geringer als auf der anderen Seite. Die Redebeiträge verwiesen in deutlichen Worten auf den antisemitischen Charakter des al-Quds-Tags sowie der schiitischen regimetreuen Netzwerke im Rhein-Main-Gebiet und bekannten sich zur »Frau–Leben–Freiheit«-Bewegung im Iran.