Trotz Sahra Wagenknechts Abgang schafft die Linkspartei keinen Neuanfang

Keine Sahra, keine Probleme?

Auch nach der Spaltung läuft es nicht bei der Linkspartei: Machtspielchen, Flügelkämpfe und fragwürdige Positionen gehören weiter zum Alltag.
Kommentar Von

In den vergangenen Monaten strahlten viele Funktionär:innen der Linkspartei wie Honigkuchenpferde oder wollten zumindest diesen Eindruck erwecken. Sahra Wagenknecht hat die Partei verlassen und ihre Anhänger mitgenommen – bundesweit waren das erstaunlich wenige gewesen, vor allem in Ostdeutschland –, nun habe man sich in der Partei wieder lieb. Allenthalben war zu hören, wie schlimm und böse das Wagenknecht-Bündnis ist und was für eine schöne Partei man sich jetzt bauen könne.

Dass die neue Welt der Linkspartei doch nicht ganz so rosarot ist, zeigten nicht nur die Wahlumfragen, bei denen sie stabil unter fünf Prozent liegt. Mitte Februar demonstrierten auch die verbliebenen Bundestagsabgeordneten, dass sich so viel anscheinend doch nicht geändert hat. Ihre Gruppe – eine Fraktion bilden sie seit der Spaltung nicht mehr – musste eine neue Führung wählen. Das hat sie auch gemacht. Jeweils mit 14 zu 13 Stimmen wurden Heidi Reichinnek und Sören Pellmann als Gruppenvorsitzende gewählt. Und das offenbarte gleich mehrere Probleme.

Das offensichtlichste: Von einer neuen Einigkeit kann nicht die Rede sein. Wäre Petra Pau nicht mit einer Verletzung ausgefallen, hätte die Partei im Bundestag möglicherweise gar keine neue Führung gewählt, weil es ein Stimmenpatt gegeben hätte.

Pellmann und Reichinnek hatten die Unterstützung der alten Garde um Dietmar Bartsch, der sich jahrelang mit Wagenknecht in der Fraktion die Macht aufgeteilt hatte.

Pellmann und Reichinnek hatten die Unterstützung der alten Garde um Dietmar Bartsch, der sich jahrelang mit Wagenknecht in der Fraktion die Macht aufgeteilt hatte. Schon 2022 hatten Pellmann und Reichinnek gemeinsam für den Parteivorsitz kandidiert – ­damals mit Unterstützung von Bartsch und Wagenknecht. Besonders Pellmann gilt als Vertreter der an ihrer traditionellen Weltsicht festhaltenden ostdeutschen Parteimitglieder.

Die beiden anderen Kandidat:innen für den Gruppenvorsitz, ­Clara Bünger und Ates Gürpinar, wurden nicht von Bartsch unterstützt, sie gehörten eher zum Lager der derzeitigen Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler. Ein Kompromiss wäre es gewesen, die beiden Vorsitzposten im Bundestag zwischen den beiden Lagern aufzuteilen – stattdessen hat die Bartsch-Gruppe mit einer hauchdünnen Mehrheit ihren Willen durchgedrückt.

Auch ohne Wagenknecht gibt die Linke also weiterhin ein desaströses Bild ab. Alte Netzwerke dominieren die Gruppe im Bundestag, so wie sie zuvor die Fraktion bestimmt hatten, die Parteiführung hat nicht die Mut oder die Macht, irgendeine ­Linie vorzugeben, und die Mitglieder schauen mit großen Augen auf das, was ihre Genoss:innen im Bundestag so veranstalten.

Pellmann tritt zumindest nicht mehr ganz so dezidiert als Nato-Kritiker und Verteidiger russischer Interessen auf wie vor einigen Jahren noch. Der Leipziger wurde direkt gewählt. Seinem Direktmandat sowie dem von Gregor Gysi und Gesine Lötzsch ist es zu verdanken, dass die Linkspartei überhaupt im Bundestag sitzt, denn sie war bei der vergangenen Bundestagswahl knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert.

Die Altkader um Bartsch wollen daraus offenbar ein Konzept machen, für das Pellmann Pate steht: Die Partei soll sich erholen, indem sie sich auf ihr ostdeutsches Kerngebiet zurückzieht und dort über Friedenspolitik und die Ungleichbehandlung der Ostdeutschen spricht. Zurück zur Vertretung ostdeutscher Interessen wie in Zeiten, als es noch keine AfD gab.

Vom groß angekündigten Aufbruch zu einer »modernen sozialistischen Gerechtigkeitspartei« ist wenige Monate nach Wagenknechts Abgang wenig zu spüren.

Die Parteiführung hingegen tritt für eine gesamtdeutsche Orientierung ein und will auch junge, bewegungsorientierte Linke aus urbanen Milieus ansprechen. Erfolgreich ist sie damit bislang nicht. Was auch daran liegen dürfte, dass Vertreter jeglicher Strömung der Linkspartei außenpolitisch weiterhin nur allzu oft als Hamas- und Putin-Versteher:innen auftreten und sich von Vorstellungen aus den Zeiten des Kalten Kriegs nicht trennen können.

Streit hinter verschlossenen Türen, alte Seilschaften, fragwürdige Inhalte: Vom groß angekündigten Aufbruch zu einer »modernen sozialistischen Gerechtigkeitspartei« ist wenige Monate nach Wagenknechts Abgang wenig zu spüren. Teile der Linkspartei machen einfach so weiter wie in den vergangenen Jahren.

Das könnte gefährlich werden. Die Partei hat trotz der Abspaltung nicht wesentlich an Mitgliedern verloren. Ein Grund dafür sind die zahlreichen Neueintritte – viele davon wohl aus den bewegungsnahen Milieus. Vermutlich sind das Menschen, die keine Lust auf intransparente Entscheidungsprozesse, einen fragwürdigen Minimalkonsens und Machtspielchen haben.