Samyr Bouallagui, Verein Straßenfeger, im Gespräch über die Suche nach einer neuen Immobilie für ein Obdachlosenheim

»Die Suche gestaltet sich schwierig«

Der Verein Straßenfeger brachte in Berlin bis 2018 eine gleichnamige Obdachlosenzeitung heraus. Noch immer betreibt er eine Notunterkunft für Obdachlose in Berlin-Pankow. Nun muss er dort bis Mitte des Jahres ausziehen. Die »Jungle World« sprach mit dem Vorstandsmitglied Samyr Bouallagui über die Suche nach einer neuen Immobilie.
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Was ist das Problem mit der bisherigen Obdachlosenunterkunft in Pankow?
Die Fassade steht unter Asbestverdacht und muss saniert werden. Wir müssen die Notunterkunft bis Ende Juni geräumt haben, damit die Arbeiten im September beginnen können – eine Rückkehr ist nach Aussagen des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) nicht möglich. Schon jetzt stehen wir unter enormem Zeitdruck. Im Gesamtbezirk Pankow bieten wir gegenwärtig die einzige ganzjährig geöffnete Notübernachtungsstelle.

Wie gestaltet sich die Suche nach einer neuen Immobilie?
Sehr schwierig. Viele Eigentümer haben ein vorurteilsbeladenes Bild von Notunterkünften. Dabei herrschen dort sehr hohe Hygienestandards. Außerdem werden die zu versorgenden Menschen während ihres nächtlichen Aufenthalts von Fachpersonal betreut. Niemand wohnt in Notunterkünften, dort gibt es lediglich einen Schlafplatz für die Nacht und eine Grundversorgung.

»Wir wollen wieder circa 30 Schlafplätze anbieten.«

Welche Kriterien müssten die neuen Räumlichkeiten denn ­erfüllen?
Wir sind auf der Suche nach einer Immobilie, die etwa 400 bis 500 Quadratmeter Wohnfläche bietet, also etwa so groß ist wie unsere derzeitige Obdachlosenunterkunft. Wir wollen wieder circa 30 Schlafplätze anbieten. Die Immobilie muss also die Möglichkeit bieten, darin Räume zum Übernachten einzurichten – maximal vier Betten pro Raum. Dazu braucht es Spinde und Zugänge zu sanitären Anlagen. Im Idealfall besitzt die Immobilie auch Starkstrom­anschlüsse für unsere Küche und Waschmaschinen. Sollte bloß eine Zwischenmiete möglich sein, wäre es großartig, wenn diese mindestens zwei Jahre andauern würde. Die Immobilie muss nicht zwingen in Pankow liegen.

Was macht Ihr Verein noch neben dem Betreiben der Unterkunft?
»Die Gesunde Übrigküche« ist für uns ein weiteres wichtiges Projekt. Da geht es darum, Lebensmittel zu retten und zu zeigen, dass man auch mit abgelaufenen Lebensmitteln noch sehr gute Mahlzeiten kochen kann. Ansonsten betreiben wir noch das Magazin Straßen­feger-Mag, in der Nachfolge des alten Straßenfeger. Diesen mussten wir 2018 wegen eines extremen Verkaufsrückgangs und steigender Druckkosten einstellen. Die Auflage des Straßenfeger-Mags ist nun geringer. Die Einnahmen kommen obdachlosen Menschen zugute.

Wie schätzen Sie die Situation obdachloser Menschen in Berlin gegenwärtig ein?
Die war schon immer sehr schwierig, gerade auch wegen des angespannten Wohnungsmarkts. Obdachlosigkeit kann man nicht ohne ausreichend Wohnraum beseitigen. Es muss mehr am Prinzip »Housing First« festgehalten werden: Obdachlose Menschen sollten zuerst ein Dach über den Kopf zur Verfügung gestellt bekommen; erst danach sollten andere Problemlagen angegangen werden.