Islamisten hetzen derzeit verstärkt gegen Israel

Mit Islamisten etwas aufbauen

In den sozialen Medien verbreiten Islamisten verstärkt antisemitische Propaganda. Besonders aktiv ist die Gruppe Generation Islam, die in verschiedenen Städten Kundgebungen abhält. Unterdessen fördert die Berliner Senatsverwaltung ein Projekt, an dem Imame teilnehmen, die als islamistisch gelten.

Deutsche Islamverbände und andere Vertreter der islamistischen Rechten sehen sich oft einem Verdacht ausgesetzt: Entsprechen die öffentlichen Äußerungen ihrer Vertreter wirklich den intern vertretenen Positionen oder dienen sie nur dazu, die Öffentlichkeit zu beruhigen? Der Überfall der Hamas auf Israel gab mal wieder Gelegenheit, diese Frage zu stellen. Der größte Moscheeverband Deutschlands ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Sie untersteht der türkischen Re­ligionsbehörde Diyanet. Deren Präsident, Ali Erbaş, sagte in seiner ersten offiziellen Freitagspredigt nach dem Hamas-Massaker, Israel sei »wie ein rostiger Dolch, der im Herzen der islamischen Geographie« stecke.

Kurz darauf wurde unter anderem die Ditib von der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu einem Treffen geladen. Eine gemeinsame Erklärung wurde veröffentlicht, der zufolge »die Gräueltaten der Hamas gegen die israelische Bevölkerung uneingeschränkt zu verurteilen und die Geiseln von der Hamas unverzüglich freizulassen« seien. Auf die Diyanet – die unter anderem Imame in deutschen Ditib-Moscheen entsendet und bezahlt – hatte diese Erklärung freilich keinen Einfluss. Erbaş veröffentlichte erst kürzlich wieder ein Video, in dem er die Israelis als »Mörder und Besatzer« bezeichnete, die »wie alle Tyrannen in der Geschichte dem Untergang geweiht« seien.

Der Zentralrat der Muslime (ZMD) verurteilte die Angriffe »der Hamas auf Zivilisten« und forderte, dass »alle Seiten jetzt die Kampfhandlungen sofort einstellen« sollten »damit nicht noch mehr Opfer in der Zivilbevölkerung beklagt werden müssen«. Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM), in dem unter anderem die Ditib und der Zentralrat der Muslime (ZMD) organisiert sind, veröffentlichte Mitte Oktober einen »Aufruf zur Deeskalation«. Darin verurteilte er ebenfalls den Terror »gegen die Zivilbevölkerung in Israel durch die Hamas« und rief dazu auf, »die Gewalt zu beenden und die Geiseln unverzüglich freizulassen«. Auffällig ist, dass beide Organisationen ausdrücklich die Zivilbevölkerung erwähnen – die israelischen Streitkräfte, deren Angehörige am 7. Oktober zu den ersten Opfern der Hamas gehörten, klammern sie damit aus.

Der KRM forderte außerdem »die israelische Regierung dazu auf, bei der Ausübung ihres Verteidigungsrechts das Völkerrecht zu achten und den Schutz der Grundversorgung der Bevölkerung mit Wasser, Nahrung, Strom und Medizin zu gewährleisten«. In einem weiteren Absatz verurteilt der Koordinierungsrat »die unsäglichen Angriffe auf jüdisches Leben und Synagogen« sowie »die aktuell stark angestiegenen Angriffe und Drohungen gegen Moscheen und Muslime« in Deutschland.

Nur einen Tag nach der Veröffentlichung dieses Aufrufs verkündete der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) seinen Austritt aus dem KRM. Zum VIKZ gehören rund 350 Moschee- und Bildungsvereine, er war ein Gründungsmitglied des Koordinationsrates. Gründe für den Austritt gab er nicht an.

Auf Instagram hetzt die Generation Islam fast täglich gegen das »Zionistengebilde«. In einem Post heißt es, es sei höchste Zeit, »das Kalifat wieder zu errichten«.

Die Leiterin des Deutschen Instituts für Migration und Integrationsforschung (DeZIM), Naika Foroutan, hält die »Erklärung des KRM zur Deeskala­tion für weitreichend und angemessen und in der Tonalität für sehr besonnen«, wie sie auf Anfrage der Jungle World mitteilte. Es fehle aber »eine Aufforderung an die Bundesrepublik, sich für ein Ende der Besatzung der palästinensischen Gebiete und Friedensverhandlungen einzusetzen«. Das DeZIM ist eine staatlich geförderte und in der Politikberatung tätige außeruniversitäre Forschungseinrichtung.

Drei Tage nach Veröffentlichung der Erklärung teilte ihn auch der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland auf seiner Website, ein Dachverband, dem unter anderem die Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) angehört. Knapp zwei Wochen zuvor, drei Tage nach dem Überfall der Hamas, hatte die Jugendorganisation der IGMG aus Ludwigshafen auf X (vormals Twitter) ein Bildnis von Saladin, dem ersten Sultan von Ägypten, veröffentlicht, garniert mit dem Ausspruch: »Wie kann ein Muslim lachen, wenn Jerusalem besetzt ist? Wie kann ein Muslim bequem schlafen, während Jerusalem besetzt ist?« Der Islamrat ist als Gründungsmitglied Teil des KRM.

Auch der Vorstandsvorsitzende des Landesverbands Bayern des Zentralrates der Muslime hielt sich nicht an die von den Verbänden herausgegebene Sprachregelung. Mohamed Abu El-Qomsan postete am 14. Oktober einen auf Deutsch übersetzen Beitrag des Präsidenten der Palestinian Land Society: der Gazastreifen sei ein »Konzentrationslager«, es handele sich um »Völkermord«. In der »letzten Woche« – gemeint ist der Überfall der Hamas – »versuchten sie, aus dem Konzentrationslager auszubrechen und nach Hause zurückzukehren«. Die »volle Verantwortung dafür« trage die »westliche Kolonialwelt«.

Auf den Straßen tobt derweil der antisemitische Mob. Angeheizt werden die zumeist jugendlichen Demonstranten von islamistischen Propagandisten in den sozialen Medien, zum Beispiel der Generation Islam (GI), die der verbotenen Gruppierung Hizb ut-Tahrir nahesteht. Die GI hielt in verschiedenen deutschen Städten Kundgebungen gegen Israel ab, so auch am Samstag vergangene Woche auf dem Alexanderplatz in Berlin. Auf Instagram hetzt die GI fast täglich gegen die »zionistischen Besatzer« und das »Zionistengebilde«. In einem Post vom Samstag heißt es, es sei höchste Zeit, »die Nationalflaggen und künstlichen Grenzen niederzureißen und das Kalifat wieder zu errichten«.

Der in Berlin ansässige Prediger Ferid Heider äußert sich im Internet ebenfalls fast täglich zu Israel. »Wer jetzt nicht konsequent handelt, beteiligt sich an diesem Genozid und hat Blut an seinen Händen kleben«, postete der Imam vor zwei Wochen auf Instagram. In einem anderen Post vergleicht er den Überfall der Hamas mit dem Verteidigungskampf der Ukraine gegen Russland.

»Heider ist in der Vergangenheit wiederholt durch seine antiisraelischen Positionen aufgefallen«, sagt der Islamwissenschaftler Ahmad Omeirate der Jungle World. Heider ist Imam in der Teiba-Moschee in Berlin-Spandau, die »Verbindungen zur Muslimbruderschaft« aufweise. Er trete außerdem beim Islamischen Kultur- und Erziehungszentrum Berlin (IKEZ) auf, das dem Verfassungsschutzbericht von 2017 als Treffpunkt von Hamas-Anhän­gern gilt.

Bemerkenswert ist das unter anderem deshalb, weil Heiders Arbeit zumindest indirekt durch die Berliner Kulturverwaltung gefördert wird, nämlich im Zuge des sogenannten Rats Berliner Imame. Dieses Projekt wurde 2023 bisher mit 80 000 Euro gefördert, obwohl die Senatsverwaltung für Kultur bereits vor einem Jahr versprochen hatte zu prüfen, ob die Fördergelder auch Islamisten zugute kämen. Träger des Projekts ist der Verein Neuköllner Begegnungsstätte. Insgesamt sind Imame von 23 Moscheen beteiligt. Einer davon ist Ferid Heider. Ebenfalls dabei sind, wie die Welt berichtete, Imame von der Furkan-Moschee in Berlin-Neukölln, die nach Einschätzung des Berliner Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2022 salafistisch ausgerichtet ist.

Trotz solcher Verbindungen lobte die Integrationsbeauftragte des Berliner Senats, Katarina Niewiedzial, Ende Oktober im Interview mit dem Tagesspiegel explizit den Rat Berliner Imame. Er diene als Beispiel für eine »gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit«. Um den Antisemitismus auf Berliner Straßen zu bekämpfen, müsse man darauf »aufbauen«.