Das Vorgehen der indischen Polizei gegen das Portal Newsclick ruft Kritik hervor

Eine Razzia, Verhöre und schwere Vorwürfe

In Indien wird scharfe Kritik an dem polizeilichen Vorgehen gegen das regierungskritische Nachrichtenportal »Newsclick« geäußert.

Eine Sonderabteilung der Polizei in Delhi hat am 9. Oktober 25 Journalisten, die bereits eine Woche zuvor Ziel einer umfassenden Razzia bei Autoren, Mitarbeitern und Redakteuren des regierungskritischen Online-Portals News­click waren, ein zweites Mal verhört. Das meldete die Nachrichtenagentur PTI unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Betroffenen hatten schon am 3. Oktober im Hauptquartier der Sondereinheit oft stundenlange Befragungen über sich ergehen lassen müssen. Bei vielen standen die Beamten morgens gegen sechs Uhr zu Hause vor der Tür, erst abends durften sie wieder den Heimweg antreten.

Rund 100 Adressen, neben den Büros von Newsclick zahlreiche private Wohnungen von derzeitigen und ehemaligen Beschäftigten, sollen am Tag der Razzia durchsucht worden sein. Nach bisherigen Erkenntnissen mussten sich 46 Personen den polizeilichen Befragungen stellen. Dabei handelt es sich nicht nur um Mitglieder des Kernteams des Nachrichtenportals, sondern auch um freie Autoren, Wissenschaftler und andere, die nur sehr lockere Verbindungen zu dem Medium hatten.

Einige der Betroffenen teilten nach ihrer Freilassung via X (vormals Twitter) oder auf anderen Kanälen ihre Erlebnisse: Im Polizeibüro sei zumeist ein vorbereiteter Katalog mit circa 25 Kernfragen abgearbeitet worden, heißt es. Dabei ging es um Reisen ebenso wie die journalistische Bearbeitung von Themen wie eskalierten Unruhen in Delhi oder Suiziden und Protesten von Bauern.

Zwei Männer durften nicht wieder gehen: Der Chefredakteur Prabir Purkayastha und der Personalchef Amit Chakravarty kamen zunächst für eine Woche in Gewahrsam. Am 10. Oktober wurden sie erneut dem Gericht vorgeführt, das die Untersuchungshaft um weitere zehn Tage verlängerte. News­click und insbesondere dem inhaftierten Duo wird vorgeworfen, gegen das strenge Antiterrorgesetz verstoßen zu haben. Das Nachrichtenportal soll – mutmaßlich über den Umweg USA – finanzielle Mittel aus China empfangen und staatsfeindliche Propaganda in chinesischem Auftrag vorbereitet haben. Die in Hyderabad ansässige Zeitung Deccan Herald spricht in einem Artikel unter Verweis auf Anklageunterlagen von einer Summe in Höhe von 1 150 Millionen Rupien (umgerechnet 14 Millionen Euro), die über Firmen wie PPK Newsclick, J. J. En­terprises oder GSPAN India geflossen sein soll.

Noch immer ist die Polizei dabei, die fast 100 Laptops, Handys und andere Geräte auszuwerten, die in den Büros sichergestellt oder Beschäftigten abgenommen wurden. Newsclick hatte sich einen Tag nach der Razzia in einer öffentlichen Stellungnahme beschwert, dass die Beamten bei den Durchsuchungen weder eine Anzeige (First Information Report, kurz FIR) vorgelegt noch erklärt hätten, welche Vorwürfe gegen das Medium eigentlich erhoben würden.

Chefredakteur Purkayastha, der gemeinsam mit seinem Kollegen Chakravarty den Delhi High Court (entspricht etwa einem Landgericht) gegen die Festnahme angerufen hatte, wies am 9. Oktober bei einer Anhörung die Beschuldigungen zurück. »Nicht einen Penny« habe man aus solchen Quellen erhalten, die Vorwürfe seien »falsch« und »kon­struiert«, wurde der Journalist, dessen kritische Haltung zur Regierung von Premierminister Narendra Modi und dessen hindunationalistischer Bharatiya Janata Party (BJP) kein Geheimnis ist, unter anderem in der Economic Times zitiert.

Bereits am 7. Oktober hatte sich auch die Hindustan Times auf Passagen in der Anklageschrift berufen. Dieser zufolge habe die Newsclick-Chefetage versucht, auf die Wahlen 2019 Einfluss zu nehmen. Zudem zögen die Behörden bei ihren seit Mitte August laufenden Ermittlungen Verbindungen zu anderen Verdächtigen wie dem indischstämmigen US-Millionär Neville Roy Singham, dem enge Kontakte nach China nachgesagt werden. Ebenfalls zum Kreis der mutmaßlichen Verschwörer gehören soll der Verfassungsrechtler Gautam Bhatia, der als Anwalt für die chinesischen Telekom-Firmen Xiaomi und Vivo tätig war. Er wird Medienberichten zufolge im FIR als Schlüsselperson bezeichnet.

Nicht nur die direkt Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Auch Indiens linke und liberale Opposition bewertet das Vorgehen der Behörden im Fall Newsclick überaus kritisch, wie nicht nur Äußerungen führender Mitglieder der früher über Jahrzehnte dominanten Kongresspartei zeigen. Auch Saket Gokhale, ein der Regionalpartei Trinamool Congress angehörender Parlamentsabgeordneter im Bundesstaat Westbengalen, warf die Frage auf, wie es sein könne, dass Bhatia nur wegen seiner beruflichen Rolle als Anwalt auf der Liste der Angeklagten landen könne. Gokhale, so ein Zitat im New Indian Express, spricht von einer »Vendetta« Modis sowie seines Innenministers und Vertrauten Amit Shah gegen regierungskritische Medien und Persönlichkeiten.

Doch auch weitere Personen sind betroffen. So war in der Wirtschaftsmetropole Mumbai die renommierte Bürgerrechtlerin und unbequeme Journalistin Teesta Setalvad Ziel einer Hausdurchsuchung. Ihr Ehemann, ihr Sohn und ihre Tochter sollen ebenfalls Geld aus chinesischen Quellen empfangen haben. Setalvad ist eine Enkelin von In­diens erstem Generalstaatsanwalt.