Homestory #41/23
Freitagabend in Berlin-Neukölln. In der Programmkneipe »Bajszel« sitzen unsere Autoren Uli Krug, Anselm Meyer und Alex Carstiuc auf dem Podium, um an den von vielen gerne vergessenen Yom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren zu erinnern. Rund 120 Leute quetschen sich in die kleine Bar, um zuzuhören, darunter viele gute Bekannte. Angenehmerweise sind keine Störer im Publikum, was in Neukölln bei Veranstaltungen mit proisraelischer Programmatik keine Selbstverständlichkeit ist.
Eigentlich hätte man diese Ausgabe der »Jungle Bar« trotz des ernsten Themas also in netter Erinnerung behalten, wenn nicht ein paar Stunden später klar geworden wäre, dass am Samstagmorgen palästinensische Hamas-Terroristen das noch schlafende Israel überfallen und ein Massaker an der Zivilbevölkerung angerichtet haben, das niemand hatte kommen sehen. Bilder wie aus einem Horrorfilm verbreiten sich über die Medien.
Von »Israel’s darkest hour« schreibt Thomas von der Osten-Sacken auf der Website der Jungle World, sieht aber Hoffnungsschimmer hinter dem Horizont des Kriegs, da sich aus dem Schock des israelischen 9/11 (als welches die Ereignisse von manchen beschrieben wurden) und dem unvermeidlichen Gegenschlag ein neuer sozialer Zusammenhalt in der zerstrittenen Gesellschaft Israels entwickeln werde.
Hierzulande entwickelt sich aber erst mal das im Fall Israels in Teilen der Linken übliche victim blaming. Zuverlässig dabei: die Junge Welt, die unter der Überschrift »Gaza schlägt zurück« ausführlich aus den Presseverlautbarungen verschiedener Palästinensergrüppchen zu dem »Überraschungsangriff« zitiert. Da weiß man dann wieder, warum man diese Zeitung namens Jungle World gegründet hat. Deren Belegschaft findet sich dann keine 48 Stunden nach der »Jungle Bar« zur »Stand with Israel«-Kundgebung am Sonntagmittag am Brandenburger Tor ein. Wie der Yom-Kippur-Krieg am Ende ausgegangen ist, ist den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bekannt.