Der Siegeszug redundanter ­Adjektive und Adverbien

Schillernder Schaum

Sprachkolumne. Zweimal doppelt hält viermal besser.
Das letzte Wort Von

Es gibt Leute, die sich ungern ohne Krawatte oder Designerohrringe der Öffentlichkeit präsentieren; man muss schließlich zeigen, dass man nicht irgendwer ist. Ganz ähnlich sollten, so glauben viele, auch wichtige Substantive stets mit einem kleidsamen Adjektiv ausgestattet werden.

Zum Beispiel sucht man nicht einfach eine Lösung für einen Konflikt, sondern eine mögliche Lösung für einen bestehenden Konflikt. Ob eine unmögliche Lösung für einen nicht bestehenden Konflikt einfacher oder schwieriger zu finden wäre, mögen Experten für Modallogik entscheiden.

Entsprechendes gilt für Adverbien, die wie Adjektive eigentlich präzisieren, nuancieren und differenzieren sollen. Denn selbst dort, wo kein Bedarf an einer Leistung besteht, will der endlose Spätkapitalismus sie wenigstens simuliert wissen.

Wer zur sprachlichen Avantgarde gehören will, muss wohl bald von unverheirateten Junggesellen und viereckigen Qua­draten reden.

Da schon die Wirtschaft auf Blasen beruht, verwandelt sich auch die Sprache in schillernden Schaum, ganz als wolle das Sein damit angeben, wie bedingungslos das Bewusstsein nach seiner Pfeife tanzt. Deshalb teilt man nicht mehr mit, was der Fall ist, sondern was tatsächlich aktuell faktisch der Fall ist. »Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten«, so brachte Karl Kraus die Anforderungen der Schaumschlägerei auf den Punkt.

Wer nicht nur qualifiziert ist, diese Aufgabe zu erfüllen, sondern ausreichend qualifiziert ist, diese gestellte Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, macht füglich aus jedem Gesetz ein geltendes, aus jedem Präsidenten einen amtierenden und aus jeder Wählerstimme eine abgegebene. Kaum lassen sich die Wörter »Risiko« und »Gefahr« noch sehen ohne ein begleitendes »möglich« oder, besser noch, »potentiell«, und eine antiwestliche Bewegung nennt man nun eine antiwestlich orientierte.

Ein Ausschuss stellt einer Politikerin verschiedene Fragen, denn gleiche Fragen wären gar zu langweilig; ein Skandal wird erstmals enthüllt, als könnte das auch mehrfach geschehen; und ein Parlament stimmt einem Antrag mehrheitlich zu, da offenbar nicht mehr als bekannt vorausgesetzt werden kann, dass minderheitliche Zustimmung Ablehnung bedeutet.

Wer zur sprachlichen Avantgarde gehören will, muss wohl bald von unverheirateten Junggesellen und viereckigen Qua­draten reden. Ideologiekritiker beklagten einst begriffsloses Denken, doch beim wortreichen Schreiben kann es, wie man sieht, durchaus hilfreich sein.