Zur Kritik an der Universalmetapher »auf etwas setzen«

Pech in der Logik, Glück im Spiel

Sprachkolumne. Wenn der Finanzminister auf den Aufschwung setzt.
Das letzte Wort Von

Was es heißt, im wörtlichen Sinn auf etwas zu setzen, ist klar genug: Ob beim Roulette, beim Pferderennen oder beim Celebrity Death Pool, man platziert einen Einsatz auf ein bestimmtes Ereignis; tritt die­ses ein, wird der Einsatz vervielfacht, andernfalls hat man ihn verloren.

Im übertragenen Sinn könnte man beispielsweise schreiben: »Der Finanzminister setzt auf eine baldige Konjunkturbelebung.« Derart wurde die Wendung seit langem, aber eher selten gebraucht, denn das Sprachbild ist nicht ganz unkompliziert – selbst wenn man nicht so kleinlich sein will zu fragen, was der Minister denn darauf verwettet, dass die Konjunktur sich bald beleben werde. Denn um auf ein Ereignis setzen zu können, muss dessen Eintreten vom bloßen Willen des Setzenden unabhängig sein: Man kann auf Kopf oder Zahl setzen, wenn man eine Münze wirft, nicht aber, wenn man sie offen auf den Tisch legt.

Das Publikum muss sich nicht mit Gedanken herumschlagen, die es nicht schon kennt.

Dieses Hindernis auf dem Weg zur inflationär verwendeten Uni­versalmetapher ist verschwunden, seit die Demokratisierung der Me­dien die Schriftsprache von den elitären Fesseln der Logik und Seman­tik befreit hat. Längst wundert sich niemand mehr über die Mitteilung, der Finanzminister setze beispielsweise auf Einsparungen – was keineswegs des Ministers Hoffnung ausdrücken soll, es möge alles nicht so teuer werden wie erwartet, sondern vielmehr, dass er selbst Einsparungen durchzusetzen gedenke.

»Setzen auf« heißt also nicht mehr nur: auf etwas hoffen oder spekulieren; sondern auch und vor allem: etwas anstreben, verfechten, gebrauchen oder einfach tun. Dieser ebenso sinnwidrige wie diffuse Sprachgebrauch sorgt erstaunlicherweise kaum für Verwirrung; es gilt mal wieder das Prinzip: Man weiß schon, was gemeint ist. Das funktioniert jedoch nur, wenn gar nicht in Betracht kommt, was mitzuteilen doch Zweck der Sprache wäre, nämlich das vom Adres­saten nicht schon Gewusste.

Es ­ist eine klassische Win-win-Situation: Das Publikum muss sich nicht mit Gedanken herumschlagen, die es nicht schon kennt; und die schreibende Zunft kann sich den mühsamsten Teil ihrer Tätigkeit ­sparen, nämlich sich darüber klar zu werden, was genau man eigentlich sagen will.