Die polnische Regierung treibt riesige Infrastrukturprojekte voran

Nord-Süd statt Ost-West

Die Regierung Polens treibt zahlreiche große Infrastrukturprojekte voran. Das Land soll zum logistischen Drehkreuz in Osteuropa aufsteigen und so besonders Deutschland Konkurrenz machen.

Das Frische Haff ist ein breites Gewässer an der Ostseeküste, ein langer Landstreifen trennt es vom übrigen Meer. Der westliche Teil liegt in Polen, der östliche im russischen Gebiet um Kaliningrad. Dort, auf der russischen Seite, befand sich lange der einzige Zugang zu dem Gewässer.

Nur auf diesem Weg, den Russland leicht blockieren kann, erreichte man den Hafen im polnischen Elbląg. Zumindest war das so bis zum 17. September vergangenen Jahres, als nach dreijährigen Bauarbeiten ein Kanal auf der polnischen Seite des Haffs eröffnet wurde. Wohl nicht zufällig fiel dieses Ereignis auf den Jahrestag der sowjetischen Besatzung Ostpolens im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts.

Durch den Kanal können Schiffe nun das polnische Elbląg anfahren, ohne russische Hoheitsgewässer zu durchqueren. Kritiker bemängeln allerdings, dass der Hafen Elblągs höchstens regionale Bedeutung habe. Der Großteil des Frachtverkehrs von dort gehe ohnehin nach Kaliningrad, da die Stadt problemlos über Land zu erreichen ist: Es liegt nur 60 Kilometer vom modernen Tiefwasserhafen im polnischen Gdańsk (Danzig) entfernt. Deshalb sei der Kanal überflüssig – oder sein Nutzen zumindest nicht die knapp 500 Millionen Euro wert, die der Bau gekostet hat. Zudem steht die schmale Landzunge, die das Haff vom Meer trennt, wegen ihren seltenen Tier- und Pflanzenarten unter Naturschutz, weshalb Umweltschützer den Bau des Kanals scharf kritisiert haben.

Historisch sind die wichtigsten Verkehrsverbindungen Polens in Ost-West-Richtung entstanden, weil Preußen und Russland die von ihnen annektierten Teile des Lands ins jeweilige Reich integrieren wollten.

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