Sommer in Ashkelon
»Strandliebe« ist der erste Roman der israelischen Schriftstellerin und Theaterregisseurin Michal Govrin, der in deutscher Übersetzung erscheint. Die Handlung setzt mit einer heißen Clubnacht am Strand von Ashkelon ein. Doch so leicht, wie die Geschichte beginnt, bleibt sie nicht.
Der Holocaust liegt keine zwei Dekaden zurück: Während die Überlebenden versuchen, in der uralten Küstenstadt Stein um Stein ein neues Leben aufzubauen, wagen ihre Kinder den hedonistischen Aufbruch: »Wie Schmetterlinge aus ihren Kokons erblühten sie in bunten Kleidern, ungeachtet der Schattengestalten ihrer Eltern«, schreibt Govrin über die Swinging Sixties am Mittelmeer.
Die Erotik dient der Regisseurin auch dazu, drei grundverschiedene Menschen in einer Geschichte zusammenzubringen. Im Zentrum der Geschichte steht die junge Esther Weiss. Ihren Eltern verheimlicht sie selbst ihr sexy Trägerkleidchen. Esther bleiben noch wenige Sommerwochen, bevor sie zum Militärdienst einberufen wird.
Moïse, ein Mann mittleren Alters, ist aus Paris zum Begräbnis seiner Mutter angereist. Der junge Alejandro ist aus Buenos Aires eingewandert. Govrin erzählt die Geschichte einer Ménage-à-trois und doch so viel mehr.
Während im Radio die Hits von Paul Anka, Cliff Richard und Frank Sinatra erklingen, wird das Schweigen der älteren Generation immer lauter. »Strandliebe« erzählt von den Eltern, die sich im DP-Camp begegneten oder aus Nordafrika einwanderten. Am Ende trägt Esther Uniform und erinnert sich an diesen Sommer.
Michal Govrin ist Tochter eines Pioniervaters und einer Holocaustüberlebenden. Ihre Mutter sprach nie mit ihr über das, was sie erlebt hatte. Mit diesem leichthändig erzählten Roman eröffnet der im vergangenen Jahr gegründete Geparden-Verlag sein Programm. Man freut sich auf mehr.
Michal Govrin: Strandliebe. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Geparden-Verlag, Zürich 2023, 32 Euro, 392 Seiten