Ferien auf Korčula
In seinem jüngsten Essay für die Süddeutsche Zeitung spricht sich Jürgen Habermas zähneknirschend für Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Er besteht aber darauf, dass es »inkonsistent« sei, das von Russland überfallene Land allein entscheiden zu lassen, wann der richtige Zeitpunkt für Verhandlungen sei. Stattdessen solle Deutschland auf eine diplomatische Lösung drängen.
Der Osteuropa-Historiker Jan C. Behrends formulierte in der Zeit eine treffende Kritik an Habermas’ Essay. Habermas »Unwissen über die ukrainische Geschichte« sei typisch für den »deutschen Mainstream«. Indem er die Haltung von Ukrainern zum Krieg ignoriere, reproduziere Habermas die »asymmetrische Beziehung zwischen der Ukraine und Deutschland«.
Die Schlusspointe von Behrends’ Artikels kommt jedoch selbst uninformiert daher: Er behauptet, Habermas’ Haltung sei nicht überraschend, sondern typisch für einen Vertreter der Kritischen Theorie. Die Frankfurter Schule habe sich »stets am Westen abgearbeitet«. »Die Sowjetunion«, so meint Behrends, »blieb in der kritischen Theorie weitgehend eine Leerstelle.« Deren »Desinteresse für die Realitäten des Ostens« setze sich bei Habermas fort.
»Man muß fragen, wer vom Frieden redet, in wessen Auftrag und in welcher Funktion.« Max Horkheimer und Theodor W. Adorno
Dabei übergeht Behrends, dass die Auseinandersetzung mit der autoritären Entwicklung der Sowjetunion für die Kritische Theorie konstituierend war und die Kritik am »Sowjetmarxismus« (Marcuse) eines ihrer wiederkehrenden Motive ist. Und nicht nur das: Vertreter der Frankfurter Schule – unter ihnen auch Habermas selbst – standen im regen Austausch mit intellektuellen Dissidenten aus den Staaten des Ostblocks.
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