Homestory

Homestory #6

Manchmal beschleicht selbst die erfahrenen Redakteurinnen und Redakteure einer Wochenzeitung wie der Jungle World das Gefühl, nicht mehr hinterherzukommen, weil sich die Ereignisse überschlagen. Push-Nachrichten tauchen auf dem Bildschirm auf und wollen gelesen werden, der Messenger piepst im Staccato vor sich hin, die Facebook-Likes unter einem wichtigen Beitrag häufen sich. Man fragt sich, wie schlimm es erst bei den Kolleginnen und Kollegen in den Tageszeitungen zugehen muss, die dem Trommelfeuer der Informationen noch heftiger ausgesetzt sind – und bevor die Gedanken weiter abschweifen, erinnert man sich an die Dringlichkeiten auf dem eigenen Bildschirm.

Doch beim genaueren Lesen der neuesten Meldung stellt sich Skepsis ein, und nach wenigen Sätzen weiß der Redakteur, dass in diesem Fall etwas nicht stimmen kann: Die neue sozialdemokratische Innenministerin eine gefährliche Linksextremistin? Jene Innen­ministerin, die noch vor wenigen Tagen angekündigt hatte, sich für eine Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex einzusetzen? Jenes Frontex, das in der Vergangenheit illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen geduldet und selbst durchgeführt hat?

Der Anlass der Empörung war ein kurzer Gastbeitrag von Nancy Faeser in dem Verbandsmagazin Antifa der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), den sie wenige Monate vor ihrer Ernennung in das Kabinett des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) geschrieben hatte. Darin schildert sie, dass auch sie Drohbriefe eines ominösen »NSU 2.0« erhalten habe, und empfiehlt sich als Vorkämpferin gegen Rechtsextremismus.

Dass man als Redakteur aber nicht zwangsläufig bei jedem Mal dümmer wird, wenn man wie im Fall Faeser Sozialdemokraten gegen Liberale und Rechte verteidigt – wie ein Kollege beim Lesen der Meldung aufstöhnte –, sondern auch mal lachen darf, verdankte man schließlich dem Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer (CSU). Mit großem Taktgefühl warf er Faeser in der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit vor, »außerordentlich instinktlos und un­bedacht« gehandelt zu haben.

Damit auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, den Humor nicht verlieren und für die kommenden rechten Kampagnen gewappnet sind, wünschen wir Ihnen eine gute Lektüre.