Die deutsche Weigerung, der Ukraine Waffen zu liefern, stößt auf Unverständnis

Eine Handvoll Helme

Die Ukraine fordert öffentlich und vehement von der Bundesregierung Waffenlieferungen. Die USA halten sich mit Kritik an Deutschland zurück.
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Es gab offenbar einigen Redebedarf, doch am Ende des Treffens führender Vertreter der SPD stand am Montagabend nur die Bekräftigung ihrer bisherigen Position: Die Bundesregierung werde auch in Zukunft keine Militärwaffen an die Ukraine liefern. Auch die Weitergabe von Haubitzen aus DDR-Beständen durch Estland lehne die SPD ab, meldete die Süddeutsche Zeitung.

Derzeit landen in der Ukraine fast täglich Flugzeuge mit Waffenlieferungen der USA, Großbritanniens oder anderer Nato-Staaten. Sie liefern Munition, Panzer- und Flugabwehrwaffen. Im Falle eines Angriffs der russischen Armee wäre das kaum kriegsentscheidend, aber es sind bedeutsame Gesten, denn Russland fordert eine klare Begrenzung der militärischen Unterstützung der Nato-Staaten für die Ukraine. Erreicht hat der russische Präsident Wladimir Putin bisher das Gegenteil. Selbst über einen neuen Sicherheitspakt zwischen Großbritannien, Polen und der Ukraine soll der ukrainischen Regierung zufolge derzeit beraten werden.

Dass Deutschland dabei nicht mitmacht, sondern an seiner seit 2014 geltenden Haltung festhält, keine Waffen an das ukrainische Militär zu liefern, wie es unter Barack Obama auch noch die USA hielten, sorgt international für scharfe Kritik, nicht zuletzt von Vertretern der ukrainischen Regierung selbst. »Das ist Verrat an Freunden«, sagte der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, bereits vor einer Woche der Bild-Zeitung. Als der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael Roth (SPD), in einem Interview die ukrainische Regierung ermahnte, sie solle Deutschland nicht öffentlich kritisieren, sondern »hinter verschlossenen Türen«, antwortete der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, demonstrativ auf Englisch und per Twitter, damit die ganze Welt mitlesen kann: »Wir wissen, dass Sie das Thema lieber hinter verschlossenen Türen erledigen würden. Tut mir leid, diese ›Gesprächskultur‹ gehört der Vergangenheit an.« Dass sich Deutschland Ende Januar doch erbarmt hatte, 5 000 Helme für ukrainische ­Soldaten zu schicken, hatte Melnyk einen »Tropfen auf den heißen Stein« genannt.

Ganz anders treten die USA auf, die sich mit Kritik an Deutschland auffällig zurückhalten. Sie ließen zuletzt keine Gelegenheit aus, ihre Einigkeit mit Deutschland zu betonen. Seit einem Jahr stellt sich die Regierung Joe Bidens gegen die Bemühungen von US-amerikanischen Senatoren vor allem der republikanischen Partei, die Gaspipeline Nord Stream 2 mit Sanktionen zu belegen. Im Gegenzug hat sie der neuen deutschen Regierung das öffentliche Versprechen abgerungen, dass die Pipeline im Falle einer russischen Invasion nicht ans Netz gehen werde. Die USA wissen, dass in Deutschland mächtige Interessen – Anfang März will Putin beispielsweise die Chefs verschiedener deutscher Konzerne zu einer Videokonferenz treffen – kein Interesse an einer Konfrontation mit Russland haben, und dass einer Umfrage des Politbarometers zufolge 73 Prozent der deutschen Bevölkerung Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen. In dem derzeit stattfindenden diplomatischen Tauziehen mit Russland bauen die USA darauf, dass die westlichen Staaten Geschlossenheit zeigen und glaubhaft mit Sanktionen drohen. Beides wäre ohne die deutsche Regierung nicht möglich.