In Berlin soll ein staatlich finanziertes Drugchecking-Projekt eingerichtet werden

Pillencheck mit Staatsknete

In Deutschland gibt es noch immer keine staatlich anerkannten Projekte, die Drogen auf Inhaltsstoffe und Verunreinigungen prüften. In Berlin soll sich das bald ändern.

Wie strukturkonservativ Deutschland ist, zeigt die hiesige Drogenpolitik. ­Sicher, in jedem Land der Welt gibt es illegalisierte Drogen: Der Besitz von, auf jeden Fall aber der Handel mit bestimmten Substanzen ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Nach Jahrzehnten des war on drugs stehen die Zeichen in vielen Ländern allerdings eher auf Entkriminalisierung und ­Legalisierung zumindest von Cannabis, auch in Deutschland.

In Berlin sollen Erwachsene bald in Drogenberatungsstellen anonym Substanzen abgeben können, um diese im Labor untersuchen zu lassen.

Ob der staatliche Umgang mit dem Drogenkonsum vernünftig ist, lässt sich an seinem konkreten Handeln messen. Ein Problem mit Vernunft anzugehen, wird in Deutschland in vielen Bereichen als zweckmäßig angesehen. Dass Vergiftungen und Überdosierungen mit Drogen ein Problem sind, werden wohl die wenigsten bestreiten. Deshalb ist es erstaunlich, dass es hierzulande noch immer keine staatlich anerkannten Drogenprüfungsstellen gibt.

Beim sogenannten Drugchecking werden Drogen auf Inhaltsstoffe und Verunreinigungen getestet. Kiffer erfahren, ob ihr im Park gekauftes Gras Blei enthält. Clubgänger lassen feststellen, wie hoch der Wirkstoffgehalt ihrer Pillen ist. So können sie sich überlegen, ob sie gleich eine halbe oder lieber erst einmal nur eine viertel Pille nehmen sollten, um sich vor Überhitzung, Herzrasen oder einem Kreislaufzusammenbruch zu schützen.

Einer der Pioniere des Drugcheckings in Deutschland war der eingetragene Verein Eve & Rave, der 1994 als Selbsthilfeprojekt der Rave-Szene in Berlin gegründet wurde. Mitte der neunziger Jahre betrieb dieser in Zusammen­arbeit mit der Berliner Universitätsklinik Charité ein Drugchecking-Projekt, das allerdings eingestellt wurde, nachdem gegen drei Vereinsmitglieder Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet worden waren. 1998 befand das Amtsgericht Charlottenburg, dass Drugchecking nicht gegen das Gesetz verstoße, das Landgericht Berlin schloss sich dem Urteil im darauffolgenden Jahr an.

Seit dem Ende des Projekts von Eve & Rave und der Charité wurde in der deutschen Fachöffentlichkeit weiter über Drugchecking diskutiert. In ­Österreich und der Schweiz hingegen gibt es Drugchecking-Projekte, die teils seit 20 Jahren staatlich finanziert werden. Dass es noch immer nichts Vergleichbares in Deutschland gibt, erklärt der ehemalige drogenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Niema Movassat, im Gespräch mit der Jungle World damit, dass »Ideologie in Deutschland Vorfahrt vor Gesundheitsschutz« habe. Er sei allerdings positiv davon überrascht gewesen, dass die letzte Drogenbeauftragte der Regierung Merkel, Daniela Ludwig (CSU), »sich für Drugchecking-Projekte eingesetzt hat. Gleichwohl hatte es keine Konsequenzen.« Frühere Drogenbeauftragte hätten sich gar nicht zu Drugchecking geäußert oder es sogar abgelehnt. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, die im vergangenen Monat die neue Bundesregierung bildeten, heißt es: »Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderung ermöglichen und bauen wir aus.« In Berlin soll ein staatlich anerkanntes Modellprojekt für Drugchecking eingerichtet werden, das von unterschiedlichen Drogenhilfen betrieben werden soll. Erwachsene sollen anonym Substanzen in den Beratungsstellen abgeben können. Das Ergebnis der anschließenden Laboruntersuchung soll nach einem Beratungsgespräch mitgeteilt werden.

In anderen Ländern gehen Vertreter von Initiativen, die Drugchecking vornehmen, zum Beispiel auf Festivals, also dorthin, wo Drogen gekauft und konsumiert werden. Die Ergebnisse des Drugcheckings veröffentlichen sie im Internet. Viele in Deutschland kursierende Pillenwarnungen stammen aus Veröffentlichungen von Beratungsstellen aus Österreich und der Schweiz. Das birgt die Gefahr, dass Konsumenten, die eine Pille mit gleichem Aufdruck und gleicher Farbe kaufen, annehmen, dass diese identisch zusammengesetzt ist, obwohl das oft nicht der Fall ist. Bereits 2011 fand sich im Berliner Koalitionsvertrag von SPD und CDU ein Bekenntnis zum Drugchecking durch Träger der ambulanten Drogenhilfe, es passierte allerdings nichts. Der folgende rot-rot-grüne Senat (2016–2021) legte einen Finanzierungsplan für ein Drugchecking-Projekt vor und kündigte mehrfach an, dieses zu eröffnen, tat dies allerdings nicht.

»Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat die Umsetzung nicht mit der nötigen Priorität vorangetrieben. Die organisatorische Planung hat sich hingezogen und nun warten wir auf die Freigabe der Personalstellen beim zuständigen Labor. Sicherlich spielt die Pandemie dabei auch eine Rolle, aber mehr Engagement und Nachdruck wären möglich gewesen«, kritisiert Niklas Schrader, der drogenpolitische Sprecher der Fraktion der Linkspartei im Abgeordnetenhaus, dem Berliner Landesparlament, den Koali­tionspartner SPD, der in der vergangenen Legislaturperiode die zuständige Senatsverwaltung führte.

Der vorigen Monat wieder von SPD, Grünen und Linkspartei gebildete neue Senat antwortete kürzlich auf eine Anfrage Schraders, dass das Drugchecking-Projekt beginnen solle, sobald in den kommenden Monaten der neue Landeshaushalt verabschiedet sei.