Trumps Wahrheiten
Bis zum Sturm seiner Anhänger auf das US-Kapitol in Washington, D.C., im Januar war die Social-Media-Strategie von Donald J. Trump so erfolgreich wie simpel: Wann immer er von negativen Schlagzeilen über sich ablenken wollte, twitterte er irgendeinen möglichst kontroversen und faktenfreien, gern auch mit Beleidigungen versehenen Unfug, der prompt von Medien und Usern aufgegriffen wurde und auf Social-Media-Plattformen zu andauernden Kontroversen zwischen seinen politischen Gegnern und seinen Anhängern führte. Dass selbst seriöse US-Medien bis zur Sperrung von Trumps Twitter- und Facebook-Konten kurz vor dem Ende seiner Amtszeit als US-Präsident zuverlässig auf dessen durchsichtige Ablenkungsmanöver hereinfielen, war durchaus erstaunlich; doch es passte dazu, dass sie von Anfang an über seine Präsidentschaftskandidatur in einem Ausmaß berichtet hatten, das ihn vom Außenseiter zum aussichtsreichen Bewerber machte.
Inhalte, die die Besitzer und Betreiber »verunglimpfen oder ihnen schaden«, können gemäß den Geschäftsbedingungen von »Truth« sofort gelöscht werden.
Dass Trump der Verlust seiner Social-Media-Accounts bis heute schmerzt, ist eindeutig, schließlich versucht er nach wie vor, Facebook und Twitter gerichtlich und auch durch Anzeigenkampagnen dazu zu bringen, ihn zu entsperren. Dieser Tage dürften ihm seine Kommunikationskanäle besonders fehlen, denn auch neben den Berichten über den Untersuchungsausschuss zum Sturm aufs Kapitol gibt es eine Menge negativer Schlagzeilen über ihn: die Verurteilung Lev Parnas’ wegen verbotener Wahlkampffinanzierung von vergangener Woche beispielsweise. Parnas soll versucht haben, mit illegalen Spenden vor der Kongresswahl 2018 Einfluss auf Politiker und Kandidaten zu nehmen, unter anderem zugunsten Trumps. Mittlerweile ist er ein Gegner Trumps. Parnas kooperierte mit der Anklage und ließ immer wieder durchscheinen, dass er im Besitz von belastendem Material sein könnte. Außerdem ermittelt die New Yorker Staatsanwaltschaft weiterhin gegen den Mischkonzern Trump Organization LLC wegen Steuervergehen und erhielt nun von der Deutschen Bank die angeforderten Unterlagen, wogegen Trumps Anwälte lange vor Gericht gekämpft hatten.
Und nun das: »Unterstützt von seiner App, könnte der große Lügner zurückkehren«, schrieb der Guardian in einem Kommentar über die Trump’sche Vorstellung seines eigenen sozialen Mediums mit dem aparten Namen »Truth«. Trump könnte versuchen, damit einer neuerlichen Präsidentschaftskandidatur den nötigen Schwung zu verleihen, denn eine zweite Amtszeit wäre der sicherste Schutz vor drohenden Anklagen.
Nun soll die neue Trump Media & Technology Group mit »Truth« als erstem Projekt die umfassende Medienpräsenz des ehemaligen Präsidenten sicherstellen. Aufgebaut ist es wie Twitter, nur dass Tweets dort »Truth« heißen, Retweets »Re-Truth« und der News-Stream entsprechend »Truth-Feed«. Gleich der erste Schritt hin zum Ziel, eines Tages unter anderem CNN Konkurrenz zu machen, misslang allerdings gründlich. Mit der Sicherheit von »Truth« hapert es nämlich; User machten sich umgehend einen Spaß daraus, Accounts auf die Namen von Trump und seiner Familie sowie seiner Vertrauten anzulegen. Und auch mit der Meinungsfreiheit, als deren Garant die Plattform ab dem offiziellen Launch im ersten Quartal 2022 auftreten will, ist es nicht weit her, denn Inhalte, die die Eigentümer und Betreiber »verunglimpfen oder ihnen schaden«, können gemäß den AGB sofort gelöscht werden.
Trumps soziales Medium verwendet überdies auch seine Technik nicht ganz legal. Diese wurde schon kurz nach dessen Vorstellung als auf dem Microblogging-Dienst Mastodon basierend erkannt. Dessen Software ist zwar open source und darf kostenlos und ohne explizite Erlaubnis verwendet werden, das ist jedoch an Bedingungen geknüpft: Zum einen muss Programmcode, der auf der Software beruht, ebenfalls öffentlich zugänglich gemacht werden, zum anderen muss Mastodon als Quelle benannt werden und auf Basis von Mastodon betriebene Seiten müssen das Projekt auch verlinken. Beides ist bei »Truth« nicht geschehen.
Der Gründer von Mastodon, Eugen Rochko, sagte der Washington Post bereits, dass er deshalb schon Kontakt zu den Juristen der Trump Organization aufgenommen habe. Auch wenn Rochko die Verwendung von Mastodon für das Projekt nicht verhindern kann, bedeutet das nicht, dass die Verwendung der Software »unabhängig vom Gesetz« wäre. »Es bestehen weiterhin Möglichkeiten, rechtlich dagegen vorzugehen«, so Rochko.