General Min Aung Hlaing herrscht jetzt über Myanmar

Ein durchschnittlicher Kadett

Porträt Von

Seit zehn Jahren ist Min Aung Hlaing Oberbefehlshaber der Streitkräfte Myanmars, seit Montag herrscht er über das südostasiatische Land. Warum der General die Regierung unter Aung San Suu Kyi jetzt absetzen ließ, erschließt sich nicht unmittelbar. Das Militär hatte Myanmar bis 2008 fast 50 Jahre diktatorisch regiert und sich in der dann ausgearbeiteten Verfassung weitreichende politische und ökonomische Privilegien gesichert. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ließ sich mit ihrer National League for Democracy (NLD) in diese gelenkte Demokratie so weit einbinden, dass sie auch über die genozidalen Kampagnen der Streitkräfte gegen die muslimische Minderheit der Rohingya hinwegsah oder diese sogar rechtfertigte. Unter Min Aung Hlaings Befehl kam es 2017 zu Massenmorden, systematischen Vergewaltigungen und Brandstiftungen. Etwa 730 000 Menschen flohen ins benachbarte Bangladesh.

Min Aung Hlaing wurde 1956 in Tavoy (heute Dawei) geboren und studierte Anfang der siebziger Jahre an der Rangoon Arts and Sciences University (heute Universität Yangon), jener Universität, die in den Siebzigern und Achtzigern zu einem Ausgangspunkt der Proteste wurde, die in die brutal niedergeschlagene Revolte von 1988 mündeten. 1974 wurde Min Aung Hlaing im dritten Anlauf in die Militärakademie aufgenommen. Ein alter Klassenkamerad berichtete der Nachrichtenagentur Reuters 2016, Min Aung Hlaing sei ein »durchschnittlicher Kadett« gewesen und »regulär und langsam« befördert worden. Als Oberbefehlshaber nutzte er Facebook zur politischen Inszenierung und konnte dort Hunderttausende Abonnenten gewinnen, bevor seine Seite im Zuge der gewaltsamen Vertreibungen der Rohingya deaktiviert wurde.

Als Rechtfertigung für Absetzung und Verhaftung Aung San Suu Kyis und anderer Politiker dient der Vorwurf, es habe Unregelmäßigkeiten bei der Wahl im November gegeben. Die NLD hatte diese mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen. Über die innere Funktionsweise der Streitkräfte in Myanmar ist fast nichts bekannt. Doch die Vermutung liegt nahe, dass das Militär keine Zweifel darüber aufkommen lassen will, wer Herr im Hause Myanmar ist. Der Putsch dürfte indes auch den persönlichen Interessen des Generals dienen. Im Juli erreicht Min Aung Hlaing das Pensionsalter. Um darüber hinaus im Amt zu bleiben, hätte er die Zustimmung Aung San Suu Kyis gebraucht. Nun bleibt er ein weiteres Jahr an der Macht – mindestens.