Berliner »Clubsterben«

»Linke Clubkultur kriminalisiert«

Gespräch mit Rosa Rave von der Gruppe Reclaim Club Culture über das Berliner »Clubsterben«.
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Der Untersuchungsausschuss #03 des Zentrums für Kunst und Urbanistik (ZK/U) in Berlin hat nach dreimonatigen Recherchen seine Ergebnisse vorgelegt: In der Stadt finde »das große Sterben der Clubs und Kulturräume« statt, heißt es zusammenfassend. Aus diesem Grund veranstaltet das ZK/U an diesem Donnerstag einen Trauerzug, der um 17 Uhr am Hansaplatz beginnen soll. Die Jungle World hat mit Rosa Rave von der Gruppe Reclaim Club Culture gesprochen, die die Kundgebung unterstützt.

Wie viele Veranstaltungsorte mussten in jüngerer Zeit schließen?
Eine verlässliche Zahl haben wir nicht. Aber allein in den vergangenen beiden Wochen haben sich ein gu­tes Dutzend Kultur- und Veranstaltungsorte bei uns gemeldet, die ihre Räumlichkeiten schon verloren haben, bald aufgeben müssen oder zu verlieren drohen: das Johnny Knüppel, der Brunnen 70, das Stattbad, der Klub der Republik, das Rechenzentrum, die WBB Willner Brauerei Berlin, der Mittwochsclub, das St. Georg, das M-Bia, die Noize Fabrik und die Kulturstätte Rummelsbucht. Auch das »Mensch Meier« und das Watergate kämpfen mit steigenden Mieten. Das Gelände der Griessmühle wurde vor kurzem von einem Investor gekauft.

Was erschwert Clubbetreibern die Arbeit?
Viele Schwierigkeiten verursachen die Polizei und andere Behörden; es gibt beispielsweise unabgesprochene Zivileinsätze der Polizei und des Zolls. Häufig beschweren sich Anwohnerinnen und Anwohner, der Lärmschutz verursacht hohe Kosten. Die steigenden Mieten machen sich bemerkbar. Oft bestehen unsichere Mietverhältnisse. Zudem haben Gewerbemietverträge keinen Kündigungsschutz, was langfristige Planungen für Umbauten und Investitionen fast verunmöglicht. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Weichen die Veranstalter und das Publikum an andere Orte aus?
Die Leute suchen sich immer Ausweichmöglichkeiten, viele auch außerhalb von Berlin, weil die Situation für Open Airs in der Stadt ebenfalls schlecht ist. Die politische Situation ist eben allgemein sehr angespannt. Das sieht man auch an dem Generalangriff auf die »Fusion« mit einer geplanten Polizeipräsenz, die geradezu absurde Ausmaße annehmen würde und offenbar auf eine Eskalation ausgerichtet ist. So wird das Feiern einer emanzipatorischen, linken Clubkultur bereits im Ansatz kriminalisiert. Auch im Zuge einiger Proteste seit »AfD wegbassen« gab es unverhältnismäßige Auflagen.

Wie verhält sich die offizielle Kulturpolitik?
Wir wissen von einzelnen Politikerinnen und Politikern, die sich gegen das Clubsterben einsetzen. Oft bleibt es aber bei Lippenbekenntnissen. Schließlich geht es in vielen Fällen um die Interessen von Inves­toren. Das Versagen der Bezirkspolitik zeigt sich zurzeit exemplarisch an der Rummelsburger Bucht. Die BVV Lichtenberg hat kürzlich einen Bebauungsplan für ein großes Aquarium und Luxuswohnungen trotz großer Proteste beschlossen, anstatt die bestehenden Grünflächen und Kulturorte dort zu sichern beziehungsweise neue zu entwickeln.

Warum veranstalten Sie einen Trauerzug und nicht eine Straßenparty mit großem Tamtam?
Der Untersuchungsausschuss des ZK/U organisiert den Trauerzug als »Katharsis der Freiräume«, unterstützt von Reclaim Club Culture. Der Trauerzug soll diejenigen ansprechen, die ihre Kulturräume bereits verloren haben, und ist auch als eine Zusammenkunft für Trauernde gedacht. Diese können sich zusammen bei der Beerdigungszeremonie und dem anschließenden Leichenschmaus die Frage stellen: Wie soll es weitergehen? Zudem geht es um ein Zeichen an die Stadt: Wir sind noch da, wir sind politisch, wir werden weiterkämpfen.