»Fahrenheit 11/9« von Michael Moore

Ein Wutbürger gegen Trump

Der US-amerikanische Dokumentarfilmer Michael Moore versucht in seinem neuesten Film »Fahrenheit 11/9«, mit Donald Trump abzurechnen. Das Ergebnis ist eine wirre Anklage, der jedes Mittel recht ist.

Nach dem 9. November 2016, dem Tag des Wahlsiegs Donald Trumps, hatte wohl nicht nur der Filmemacher Michael Moore einen Schock zu ver­arbeiten. Tief war die Erschütterung über den überraschenden Sieg des Kandidaten, den viele bis zuletzt noch als Clown verlacht hatten.

In den ersten Minuten seines neuen Films »Fahrenheit 11/9« erinnert der Regisseur an die Schockstarre, die das Ergebnis auslöste, und stellt die ­Frage, wie all das überhaupt passieren konnte.

Der unstrukturierte Film gipfelt darin, dass Moore in einer 20minütigen Sequenz Vergleiche zwischen Donald Trump und Adolf Hitler anstellt. Derartige Relativierungen sind nicht neu: Schon in seinem 2015 erschienenen Film »Where to Invade Next« fragte er mit Blick auf die angeblich mit Bravour geleistete Geschichtsaufarbeitung Deutschlands, wann die USA endlich aufhörten, sich vor ihren »Sünden« zu verstecken.

Der linke Filmemacher bezieht sich bereits im Titel auf seinen vor fast 15 Jahren erschienenen Film »Fahrenheit 9/11«, der sich mit den politischen Folgen des 11. September 2001 beschäftigte. Dass Moore damit suggeriert, die Terroranschläge und der Tag des Wahlsiegs von Donald Trump seien gleich zu gewichtende Ereignisse, zeigt, wie verschoben das politische Koordinatensystem des Dokumentarfilmers inzwischen ist.

Denn anstatt die Gründe für den Aufstieg Donald Trumps zu analysieren, verzichtet Moore auf eine stringente Untersuchung. Der Regisseur möchte assoziativ zeigen, wie das Land aussieht, das einen Politiker wie Trump zum Präsidenten gewählt hat. Zur Veranschaulichung wählt er mal seine Heimatstadt Flint, deren verseuchtes Trinkwasser für Dutzende Bleivergiftungen sorgte, mal streikende, auf Zweitjobs angewiesene Lehrer, schließlich den Protest für eine Reform der Waffengesetze nach Amokläufen an US-amerikanischen Schulen. All das wird nur lose verbunden, weil Moore das Ausstellen möglichst viel rührseligen Elends für entlarvender zu halten scheint, als sich fundiert einigen wichtigen Themen zuzuwenden.

So hat der Regisseur erneut einen Film gemacht, der die Mehrzahl seiner Zuschauer in dem bestätigt, was sie sowieso schon zu wissen meinen. Einig im Glauben daran, auf der richtigen Seite zu stehen, scheint es nicht mehr so wichtig, Argumente zu bemühen. Blanke Empörung wird dagegen skrupellos bedient. So wird zu Beginn des Films unterstellt, dass Donald Trump ein Verhältnis zu seiner Tochter Ivanka habe. Unheilvoll raunt die Stimme des Regisseurs dann aus dem Hintergrund: »Does that make you feel uncomfortable?«

Mit seiner Methode knüpft Moore an die reißerisch-unsaubere Machart seiner früheren Filme an. Unfreiwillig komisch wird es, wenn er den Ausschnitt eines Interviews mit dem rechtsextremen ehemaligen Chefstrategen des Weißen Hauses, Stephen Bannon, zeigt, in dem dieser gesteht, dass er mit Moore nicht politisch übereinstimme, aber seine ­Filme trotzdem ausgezeichnet finde – was vielleicht daran liegt, dass sich beide ähnlich manipulativer Methoden bedienen.

Grund zur Resignation sieht Moore nicht. Er lässt Menschen zu Wort kommen, die in seinen Augen dem verhassten Establishment und Trump die Stirn bieten. Zu denen zählt Moore auch die im November ins Repräsentantenhaus gewählten ­Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und Rashida Tlaib. Erstere empörte sich öffentlich über israelische »Massaker« und die »Besetzung Palästinas«, nur um sich danach mit den Worten fadenscheinig aus der Affäre zu ziehen, dass sie keine Expertin sei und nicht immer die richtigen Worte finde. Ihre Kollegin Tlaib ist ­unverhohlene Unterstützerin der israelfeindlichen BDS-Bewegung, die für den Boykott des jüdischen Staats wirbt. Als Grund für ihre Ablehnung jeglicher Militärhilfe für Israel sagte sie, dass sie keine rassistischen Länder unterstützen werde.

Der unstrukturierte Film gipfelt darin, dass Moore in einer 20minütigen Sequenz Vergleiche zwischen Donald Trump und Adolf Hitler anstellt. Derartige Relativierungen sind nicht neu: Schon in seinem 2015 erschienenen Film »Where to Invade Next« fragte er mit Blick auf die angeblich mit Bravour geleistete Geschichtsaufarbeitung Deutschlands, wann die USA endlich aufhörten, sich vor ihren »Sünden« zu verstecken. Es überrascht also kaum, dass derjenige, der zwischen dem Holocaust und dem Umgang der USA mit den amerikanischen Ureinwohnern keinen Unterschied erkennen will, in Trump den neuen Hitler sieht. Als Untermauerung seiner steilen These dienen ihm tatsächlich Banalitäten wie die, dass sowohl Hitler als auch Trump vor ihren Wahlerfolgen keine Erfahrung in politischen Ämtern hatten.

Kronzeuge für die fahrlässigen Vergleiche ist Timothy Snyder. Der US-amerikanische Historiker machte in seinem 2015 erschienenen Buch »Black Earth: Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann« nicht etwa den eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen für den millionenfachen Mord an den Juden verantwortlilch, sondern eine gefährliche Vorstellung von Ökologie, wonach den Juden die Schuld für Ressourcenknappheit gegeben werde. Snyder zog daraus den Schluss, dass der Klimawandel ähnliche Entwicklungen hervorrufen könne, wenn einzelne Bevölkerungsgruppen für die Krise verantwortlich gemacht würden.

Nach dieser simplen Sündenbocktheorie deklariert Moore Muslime als die neuen Juden. Und naiv jeden Unterschied zwischen den seit ihrer Gründung demokratischen Vereinigten Staaten und dem Deutschland der dreißiger Jahre verwischend, sieht er mit Trump einen neuen Faschismus aufziehen. Besonders in Deutschland wird man sich darüber freuen, dass hier ein US-Amerikaner die antiamerikanischen Lügen erzählt, die man selbst hören möchte. Moore hat durchaus verstanden, wie erfolgreiche Propaganda aussehen muss.

Wenn die langen zwei Stunden vorüber sind, belohnt er seine Zuschauer nach zahllosen pathetischen Reden, dick unterlegt von melodramatischer Musik, mit Stille. Das ist der einzige Moment, in dem »Fahrenheit 11/9« mal keine Ressentiments bedient.

 

»Fahrenheit 11/9« (USA 2018). Regie: Michael Moore. Kinostart: 17. Januar